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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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hingegangen, bis er gemerkt habe, dass es noch zu früh war, sagt er, und eine Zeit lang zu Hause bleiben musste. Jetzt arbeite er in Teilzeit. Man sei sehr verständnisvoll. Ich erzähle ihm von den Briefen und Karten meiner Kollegen. Ich erzähle ihm nicht, dass ich mit Jan H. gesprochen habe und erst vor einer Stunde in meinem Büro war. Er hat nicht das Recht zu erfahren, was ich vorhabe. Unsere Versuche, uns normal zu unterhalten, versiegen allmählich, und wir verfallen wieder in Schweigen. Außer uns ist nur noch ein Paar im Restaurant, am anderen Ende des Raums. Auch sie essen schweigend.
    Der Kellner bringt eine ovale Metallschale mit grünen Bohnen, glitschig vor Olivenöl und mit rosa Schinkenwürfeln gesprenkelt. Er stellt das Schälchen zwischen uns auf den Tisch und geht wieder. David schiebt es mir hin.
    Mit einem Nicken in Richtung Bohnen frage ich: »Hast du nicht gesagt, du wärst hungrig?«
    Zur Antwort schüttelt er den Kopf.
    »Weißt du noch, als wir mit ihr ins Krankenhaus mussten?«, fragt er.
    »Die Blasenentzündung?«
    »Kreidebleich.«
    Mit drei Jahren bekam Betty eine schlimme Blasenentzündung, wie kleine Mädchen sie häufig haben. Wir merkten es erst, als sie in eine sogenannte Starre fiel, kurz vor Fieberkrämpfen. Sie spielte eines Samstagmorgens zu Hause, da trug David sie in die Küche, um es mir zu zeigen. Kreidebleich lag sie in seinen Armen, am ganzen Körper Gänsehaut, Mund und Augen halb offen, und zitterte von Kopf bis Fuß. Ich maß bei ihr Fieber: 39,4°, aber keine anderen Symptome von Erkältung oder Grippe. Ich sagte: »Hol das Auto«, obwohl wir beide wussten, dass es vor dem Haus stand. Ich trug sie in die Notaufnahme und verlangte, dass sie sofort eine Lumbalpunktion machten, aber der diensthabende Arzt sagte: »Wir müssen erst mal ihre Blutwerte prüfen.« Obwohl David und ich sie beide festhielten, trat sie dem Arzt die Brille von der Nase.
    »Den Arzt hat sie nicht gemocht, was?«
    David lächelt. »Überhaupt nicht – ich allerdings genauso wenig.«
    »Er war jung.«
    »Die Krankenschwestern mochten ihn auch nicht.«
    »Nee, das stimmt.«
    Beim Auftragen von Tortilla verblasst diese Erinnerung, und David verstummt wieder. Mit einem Mal fällt mir ungebeten ein, wie ich mich in unserer Anfangszeit, wenn ich wusste, dass er abends in meine Wohnung kommen würde, auszog und in meinen Seidenkimono schlüpfte, ohne was drunter. Ein albernes Gewand, rosa Seide mit riesengroßen, wild wuchernden Blumen in dunklerem Pink. Mit einem grünen Gürtel, der nur hielt, wenn man ihn zu einer festen Schleife band. Für ihn ging ich gern so an die Tür, wie eine Hausfrau aus einem Pornovideo der Siebziger. Ich zog ihn dann rein, in seinem rauen Mantel, mit dem Geruch nach Kälte von draußen an sich. Manchmal schob er mir den Kimono von den Schultern, noch bevor wir uns begrüßt hatten. Einmal schliefen wir im Treppenhaus miteinander, ich mit dem fest à la Partyschleife um die Taille gebundenen Kimono, er noch in seinem dicken Mantel, Stiefel an den Füßen, Dreck auf dem Teppich – was haben wir für eine weite Reise zurückgelegt, von dort nach hier.
    Dann überfällt mich die bittere Erkenntnis, dass er mit Chloe auf der gleichen Reise gewesen ist. Mit ihr muss der Sex in der Anfangsphase noch umwerfender gewesen sein, so mächtig, wie er vom Reiz des Verbotenen durchzogen war. Was war ich schon in unserer Anfangsphase? Eine neue Freundin; aber sie, sie war unerlaubtes Terrain. Und als ob das noch nicht gereicht hätte, ging er schließlich so weit, auch noch ein Kind mit ihr zu kriegen, ein winziges Menschlein, um beide von ihrer Schuld zu erlösen. Ich stelle mir all die Dinge vor, die ich mir nicht vorstellen will – wie sie miteinander ihr Neugeborenes betrachten. Nur zu deutlich sehe ich es vor mir. Er hat nichts mit mir gemacht, das er nicht auch mit ihr gemacht hätte, bis jetzt.
    Warum ist er hier in diesem Restaurant, tauscht Erinnerungen aus und tut so, als wären wir auf Augenhöhe? Er hat sie, und dazu ein neues Baby – und jetzt auch noch Rees.
    Seufzend lehne ich mich zurück. Ich habe es versucht und in der Tortilla herumgestochert, aber das bisschen Appetit, das ich hatte, ist dahin. Wir schweigen lange, während der Kellner ein Tapasgericht nach dem anderen aufträgt und zu den unangetasteten grünen Bohnen stellt.
    David sieht mich eindringlich an. »Hasst du mich immer noch, nach alledem?«, fragt er. Er war immer irritierend gut darin, meine Gedanken

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