Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Morgen Vormittag wird der Profiler von Scotland Yard, um den Sie so dringend gebeten haben, bei uns eintreffen. Sie können sich also freuen.«
Erstaunt wollte Conway fragen, ob es nicht auch eine Erleichterung für sie selbst als Chefermittlerin war. Aber in diesem Augenblick kam ihre Sekretärin mit mehreren Akten unter dem Arm über den Parkplatz. Offensichtlich sollte sie die Unterlagen zum Wagen ihrer Chefin tragen.
»Ich komme, Brenda!«, rief Jane Waterhouse ihr über die Autodächer hinweg zu. An Conway gewandt, sagte sie knapp: »Tut mir leid, ich muss zu einem Termin.«
Conway wollte sich nicht so abspeisen lassen. Nicht schon wieder. Schließlich kämpften er und sie doch an derselben Front.
»Meinen Sie nicht, dass es Zeit wäre, einmal in Ruhe über alles zu reden?«, fragte er in friedfertigem Ton. »So können wir unmöglich zusammen weiterarbeiten. Ich jedenfalls nicht.«
Jetzt erst fiel ihm auf, dass er heute schon zum zweiten Mal als Friedensengel unterwegs war. Zuerst bei Emily Bloom, jetzt hier. Wo war bloß sein alter Kampfgeist geblieben?
Jane Waterhouse sah ihn lange an. Ihre grauen Augen tasteten sein Gesicht ab, als ob sie erwartete, dass er jeden Moment gehässig seine Miene verziehen würde. Doch sie sah nur, dass er ebenso erschöpft war wie sie.
»Einverstanden. Passt Ihnen morgen Mittag?«, fragte sie leise.
»Das würde mich freuen«, sagte er.
»Gut.«
Sie griff in die Innentasche ihrer schwarzen Jacke und sagte: »Hier, damit ich es nicht vergesse, die Kopie der Notiz, die der Oberstaatsanwalt mir geschickt hat.« Sie zog ein zusammengefaltetes Blatt hervor und gab es Conway. Dann ging sie mit schnellen Schritten zu ihrem Wagen hinüber, vor dem Brenda Poitou auf sie wartete.
Plötzlich sah Conway ein Foto neben dem Hinterrad seines Autos liegen. Seltsam. Lag es schon länger dort, oder war es Jane Waterhouse aus der Tasche gerutscht, als sie ihm die Kopie gegeben hatte? Er bückte sich und hob es auf. Es war schon älter und abgegriffen. Ein junger Mann war darauf abgebildet. Er sah gut aus mit seinen lockigen Haaren, dem ovalen Gesicht und dem ausgeprägten Kinn. Er saß auf einer Wiese und trug das typische Geschirr der Fallschirmflieger, neben ihm im hohen Gras breitete sich ein Fallschirm aus blauer Seide aus. Wahrscheinlich war er gerade auf dem Boden gelandet …
Conway pustete den Staub von der Fotografie und steckte sie in die Hosentasche.
Er wollte gerade einsteigen, da sah er, dass Brenda Poitou auf ihn zukam. Sie war eine kleine, zierliche Frau, der man kaum zutraute, dass sie schon zum vierten Mal Jersey-Meisterin im Bogenschießen geworden war. Irgendwie passten sie und Jane Waterhouse in ihrer stählernen Art zusammen, fand Conway.
»Muss ihre Chefin schon wieder abends zu Hause arbeiten?«, fragte er. »Ich habe gerade die Akten gesehen …«
Brenda nickte mitfühlend. »Ja. Allein zwei Ordner sind voll mit hochnäsigen Instruktionen vom CIA. Ein echte Zumutung.«
»Wann kommt der Außenminister denn morgen an?«
»Es heißt immer nur, gegen Mittag. Mehr erfährt unsereins ja nicht.«
Wie beiläufig zog Conway das kleine Foto aus der Tasche und hielt es Brenda hin. »Kann es sein, dass Miss Waterhouse das gerade verloren hat?«
Er hatte eigentlich erwartet, dass sie es kommentarlos einstecken würde. Doch sie wurde puterrot, als sie ihm das Foto aus der Hand nahm.
»Äh … Danke«, sagte sie schnell. Und mit einem Stoßseufzer der Erleichterung fuhr sie fort: »Oh Gott, wie gut, dass Sie ihr das nicht selbst gegeben haben!«
»Wieso?«
Sie biss sich auf die Unterlippe, ihr Gesicht war immer noch rot wie Feuer. »Weil … weil es sehr privat ist …«, stotterte sie verlegen.
Plötzlich begriff er, was sie meinte. Er hatte soeben ein streng gehütetes Geheimnis der eisernen Jane Waterhouse entdeckt – ihr Privatleben. »Sagen Sie bloß, Jane Waterhouse hat einen Freund?«
Sie nickte schnell. Es schien ihr sehr peinlich zu sein, dass sie sich verplappert hatte.
»Und das soll keiner wissen?«, fragte Conway weiter.
Brenda begann zu weinen. Er kam sich barbarisch vor, dass er sie so quälte. Doch dass sie ihm erlaubte, so konkret zu fragen, ließ ihn vermuten, dass sie fast erleichtert war, endlich einmal mit jemandem darüber reden zu können.
»Sie müssen mir wirklich versprechen, dass Sie es für sich behalten«, flehte sie ihn an. »Bitte! Ich könnte Miss Waterhouse sonst nie mehr in die Augen schauen!«
»Mein Ehrenwort!«, versprach
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