Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
spürte sie, wie zerschlagen sie sich fühlte.
Es klopfte. Tim kam herein. »Ich wollte nur sagen, Sie können sich wieder zeigen. Mrs. Flair ist gerade zufrieden abgezogen …« Erschrocken blickte er Emily an. »Was ist? Sie sehen aber blass aus! Alles in Ordnung?«
Emily versuchte gar nicht erst, ihn zu täuschen. Tim war ein zu guter Beobachter. »Geht schon wieder, danke. Ich glaube, es war doch keine gute Idee, das Mittagessen ausfallen zu lassen.«
»Bleiben Sie ruhig noch ein bisschen sitzen. Im Augenblick ist sowieso nicht viel los im Laden.«
»Danke. Tut mir leid, Tim, dass ich dich in letzter Zeit so strapazieren muss.«
»Nicht der Rede wert, Mrs. Bloom. Ich hab ja bald Urlaub.«
Er wollte gerade wieder in den Laden zurückgehen, als Emily plötzlich eine Idee hatte. »Tim! Du kennst doch so viele Leute … Hast du mal von jemandem gehört, der auf der Insel asiatische Wundermittel vertreibt? Du weißt schon, Tees, Salben und was es da sonst noch so gibt.«
Sie hatte nicht viel Hoffnung, schließlich war er jung und sportlich, er brauchte garantiert noch keine chinesischen Salben. Doch zu ihrer Überraschung grinste er.
»Witzig, dass Sie das fragen. Gerade heute Morgen hat mir Shaun von so einem Typen erzählt.«
»Welcher Shaun?«
»Na, Shaun Flair, mit dem ich mein Motorrad umgebaut habe! Der Neffe von Mrs. Flair.«
»Und der weiß, wer mit solchen Sachen handelt?«
»Ja – ist wohl so was wie ein Geheimtipp. Die Adresse hat er von seinem Onkel.«
»Von Alex Flair? – Was weißt du noch?«
Tim überlegte. »Shaun hatte gestern beim Windsurfen einen kleinen Unfall. Er wollte damit nicht zum Arzt gehen. Da hat er diesen Typen angerufen. Der vertreibt ein Mittel, mit dem Wunden nach zwei Tagen wieder verheilt sind. Aber weil es bei uns verboten ist, darf er es nur heimlich verkaufen. Deswegen soll man auch nicht groß drüber reden.«
»Hat Shaun dir zufällig gesagt, wie der Mann heißt?«
Tim schüttelte den Kopf.
»Nein … Aber Shaun kennt ihn wohl vom Windsurfen.« Plötzlich fiel ihm doch noch etwas ein. »Warten Sie … Einmal hat er den Vornamen erwähnt … Tony, glaube ich … Und dass er sich mit ihm am Hafen getroffen hat, weil die Sachen von einem Schiff kommen … Mrs. Bloom, bringen Sie Shaun bloß nicht in Schwierigkeiten!«
Emily bemühte sich, ruhig zu bleiben.
»Keine Angst, mich interessiert nur, was da so alles aus Asien zu uns kommt.«
»Ach so …«, meinte Tim erleichtert.
Im Laden klingelte die Türglocke.
»Ich gehe schon«, sagte Tim und ging hinaus. Durch die Tür konnte Emily hören, wie er den Kunden freundlich begrüßte. Sie war unendlich dankbar dafür, Tim bei sich haben zu dürfen.
Kaum war sie wieder allein, hämmerte intensiv der Name Tony durch ihr Gehirn.
Tony Kinross … Der Mann aus dem Hafen. Er hatte sie heute Morgen dreist belogen. Auch seiner Beziehung zu Oliver Farrow haftete etwas Rätselhaftes an. Konnte es sein, dass Tony Kinross der geheimnisvolle Lieferant mit dem Pick-up war?
Sie musste unbedingt mit Harold sprechen.
Doch auch diesmal versuchte sie vergeblich, ihn telefonisch zu erreichen. Die Einsatzbesprechung war immer noch nicht zu Ende. Sie beschloss, die Zeit zu nutzen und sich bis dahin selbst ein bisschen im Hafen umzuschauen. Das war sie Debbie und Constance schuldig.
Sie blickte auf die Uhr. Es war jetzt kurz vor fünf. Tony Kinross hatte davon gesprochen, dass er heute nicht mehr mit seinem Schiff hinausfahren würde, weil er einen freien Tag hatte. Auch die Hafenarbeiter hatten bald Feierabend. Das bedeutete, dass die Pier, wo der Kutter Harmony lag, ziemlich leer sein würde.
Mit einem Mal wich ihre Aufregung dem befriedigenden Gefühl, nach den Tagen der Ungewissheit endlich etwas Konkretes zu den Ermittlungen beitragen zu können.
Harold würde stolz auf sie sein.
Unruhig wartete Harold Conway während des ganzen Nachmittags – auch während der Sitzung im Polizeihauptquartier Rouge Bouillon – auf einen Anruf oder irgendein anderes Zeichen vom Bailiff . Doch nichts kam. Dabei hatte er in seinem Brandbrief ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zeit drängte und dass es nicht zuletzt um das Leben von Constance Farrow ging. Er war enttäuscht.
In großer Runde, im Beisein aller Entscheidungsträger des Hauptquartiers, wurde die weitere Strategie bei der Suche nach Constance Farrow festgelegt. Es ging hoch her, weil jeder Spezialist einen anderen Ansatz vorschlug.
Jane Waterhouse glättete die Wogen
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