Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Beling
Vom Netzwerk:
sie fest, dass das Schiff schon wieder abgelegt hatte. Tony Kinross stand in seiner gläsernen Kajüte hinter dem Steuer und blickte durch ein Fernglas Richtung Horizont. Von Constance war nichts zu sehen.
    Wie in Zeitlupe, die Augen tränenblind vor Enttäuschung und Resignation, schloss Emily die Eisenluke über sich und stieg zurück in ihr Versteck.
    Schluchzend setzte sie sich unten auf den Boden. Unter dem lauten Dröhnen der Dieselmotoren stampfte das Schiff weiter durch die hohen Wellen.
    Zu so später Stunde brannte im Krankenhaus nur noch dort Licht, wo jemand vor Schmerzen nicht zur Ruhe kam oder wo sich ein schlafloser Patient die Nacht mit dem Fernsehprogramm vertrieb.
    Frank Guiton war der Einzige auf seiner Etage, der fröhlich in seinem Bett saß, in der Hand ein Glas Champagner. Nach den guten Nachrichten, die Willingham ihm überbracht hatte, konnte er vor Erleichterung kein Auge zumachen. Zum wiederholten Mal stießen die beiden an. Nur zu gerne hatte Willingham sich überreden lassen, etwas länger an Guitons Krankenbett auszuharren, gewissermaßen als Entschädigung dafür, dass Sandras Querée nicht hier war.
    Beide vermuteten, dass Sandra unvorhergesehen zu einem Einsatz gerufen worden war. Frank hatte sich dabei ertappt, dass er sie mehr vermisste, als er sich eingestehen wollte. Ihre stille, geduldige Zuneigung fehlte ihm heute besonders.
    Keiner der beiden konnte ahnen, dass Sandra nur zwei Stockwerke tiefer auf der Intensivstation lag. Sie hatte viel Blut verloren und war noch immer ohne Bewusstsein. Außerdem hatten die Chirurgen einen Beckenbruch diagnostiziert. Lebensgefahr bestand zum Glück nicht mehr.
    Außer Sandras besorgten Eltern war auch Harold Conway sofort ins Krankenhaus geeilt. Er rätselte noch immer, wo sie mit dem Dienstwagen hergekommen war. Erst bei Tageslicht würde man den schwer zugänglichen Unfallort nach weiteren Spuren absuchen können, bis dahin mussten sie Geduld aufbringen.
    Irgendwann gegen Mitternacht spürte er, dass der anstrengende Tag ihn zermürbt hatte. Hinter der Glasscheibe, die Sandras Bett von der Außenwelt abschirmte, war die Nachtbeleuchtung eingeschaltet. Nur die Eltern wachten noch geduldig im kalten Neonlicht vor der Tür zu ihrer Tochter.
    Nachdenklich fuhr Conway mit dem Lift nach unten. Die Wände des Fahrstuhls waren zerkratzt und abgestoßen von den vielen Krankenbetten.
    Genauso zerkratzt wie unsere Hilfsbereitschaft und das Mitleid, das man uns Polizisten abfordert, dachte Conway traurig.
    Was war nur mit ihm los? Er war doch sonst nicht so sentimental.
    Kaum saß er wieder im Polizeiwagen, lenkte ihn zum Glück Roger Ellwyn ab, dessen Stimme plötzlich aus dem Funkgerät kam.
    »Sind Sie wieder da, Chef?«
    »Ja.«
    »Wie geht es Sandra? Hat sie das Schlimmste überstanden?«
    »Das hoffen wir alle. Ihr Zustand scheint stabil zu sein.«
    »Gott sei Dank! Darf ich Sie noch mit etwas anderem behelligen?«
    »Das würden Sie doch auch tun, wenn ich jetzt Nein sage«, knurrte Conway. »Also?«
    »Ich habe mir noch mal die Liste mit den Pick-ups angesehen, die Sie heute Abend aus dem Hauptquartier mitgebracht haben. Die komplette Liste meine ich, also auch die Wagen, die keine dunkle Farbe haben.«
    »Ja und?«
    »Mir ist da ein Name aufgefallen. Oliver Farrow. Er besitzt einen weißen Pick-up. Mein Schwager hat seinen weißen Ford vor Kurzem rot umlackiert, deswegen dachte ich … Diesen Trick haben wir noch gar nicht in Erwägung gezogen …«
    Plötzlich war Conways Müdigkeit wie weggeblasen. Er beugte sich ganz dicht an das Funkgerät heran und rief hinein: »Verflixt noch mal, Ellwyn, dafür kriegen Sie einen Tag frei!«
    »Oh, vielen Dank! Soll ich Ihnen vorher noch Farrows Adresse geben?«
    »Die weiß ich auswendig. Und es wird mir eine große Freude sein, den Knaben aus dem Bett zu holen!«
    Warum fuhr er denn immer im Kreis? Emily zermarterte sich den Kopf. Seit fünf Stunden war die MS Harmony jetzt auf hoher See unterwegs. Noch immer waren weder Richtung noch Ziel erkennbar. Nicht ein einziges Mal warf Kinross seine Netze aus. Sie mussten sich irgendwo südlich befinden, im Dreieck von Jersey, Guernsey und der französischen Küste bei Point de L’Arcouest, denn einmal, als sie kurz durch die Luke schaute, meinte sie in der Ferne den Leuchtturm von Île de Bréhat auszumachen.
    Kinross schien auf etwas zu warten, auch wenn es längst nach Mitternacht war.
    Immer wenn Emily aus ihrer Luke schaute, hoffte sie, endlich eine

Weitere Kostenlose Bücher