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Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Beling
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Vergewaltigung?«
    Der Vikar nickte düster.
    »Ja. Im Oktober vor zweiunddreißig Jahren. Auf dem Black Butter -Fest.«
    Wie jeder auf der Insel wusste auch Emily Bloom, wie ein solches Fest ablief. Es fand immer nach der Apfelernte statt, früher war es jedenfalls so gewesen, als Jersey noch voller Apfelplantagen war. Die Black Butter war ein Nebenprodukt der Herstellung von Cider, dem bekannten Apfelwein.
    Um Black Butter zu gewinnen, verkochte man über viele Stunden den Cider auf offenem Feuer, dann gab man Zucker, Zitrone, Likör und Gewürze hinzu, bis in den Kupferpfannen eine dickliche schwarze Masse entstand, die man als Brotaufstrich aß.
    Es war eine Gemeinschaftsarbeit, auch Nachbarn und Freunde stießen im Laufe des Abends dazu. Es wurde viel getrunken, und alle halfen fröhlich mit.
    »Hat Debbie Ihnen erzählt, auf welchem Hof das Fest damals stattfand?«, fragte Emily. Schon vor zweiunddreißig Jahren hatte es nicht mehr allzu viele Höfe gegeben, auf denen man die alte Tradition fortsetzte.
    »Nein. Einen Namen hat sie nicht genannt. Ich war, ehrlich gesagt, so schockiert, dass ich auch nicht nachgefragt habe. Sie hat nur angedeutet, dass es der Sohn des Gutsherrn war, der ihre Mutter vergewaltigt hat. Einer aus bester Familie.«
    »Vor zweiunddreißig Jahren …« Emily rechnete schnell nach. »… da war Mary-Ann gerade erst zweiundzwanzig. Und wir haben sie alle für hochnäsig gehalten, weil sie ihr Kind ohne Vater aufziehen wollte! Mein Gott, das muss hart gewesen sein für sie!«
    Beruhigend sagte Godfrey Ballard: »Mrs. Bloom, nach so langer Zeit dürfen Sie sich keine Vorwürfe mehr machen. Keiner von Ihnen konnte damals ahnen, was Debbies Mutter in Wirklichkeit durchmachte.«
    »Ich verstehe nur nicht, warum sie nicht zur Polizei gegangen ist und den Vergewaltiger angezeigt hat? Mary-Ann war doch sonst so willensstark.«
    »Der Gedanke, ihm in St. Helier vor Gericht gegenüberstehen zu müssen, war ihr wohl unerträglich. Als sie spürte, dass sie schwanger war, sah sie nur einen Weg – mit ihren Eltern zu brechen.«
    Emily hatte die rätselhafte Veränderung in Mary-Anns Leben noch genau vor Augen. Sie schüttelte betroffen den Kopf. »Mein Gott, das war also der Grund! Von einem Tag zum anderen ist sie von Noirmont nach St. Helier gezogen, hat allein in einer winzigen Dachwohnung gewohnt und eine Stelle als Köchin angenommen. Und dann wurde Debbie geboren.«
    »Ja, unsere wunderbare Debbie … Jetzt wissen Sie also, was Debbie so schrecklich beschäftigt hat.«
    »Wann hat ihre Mutter ihr es gesagt?«
    »Kurz vor ihrem Tod. Für Mary-Ann war es bestimmt eine Erleichterung. Aber für Debbie war es eine Qual. Deswegen hat sie mich auch um Rat gefragt. Sie wollte von mir wissen, ob sie es nicht doch irgendwann ihrer Schwester Constance erzählen soll. Offenbar gibt es noch mehr Geheimnisse in der Familie.«
    »Und? Was haben Sie Debbie geraten?«
    »Dass nur sie diese Entscheidung treffen kann. Sie allein konnte wissen, wie Constance damit umgehen würde.«
    Emily hatte plötzlich den Wunsch, zu gehen und in aller Ruhe über das nachzudenken, was sie gerade erfahren hatte. Sie würde eine Weile brauchen, um das Schicksal der Farrows innerlich zu verarbeiten. »Danke, Godfrey, dass Sie so ehrlich zu mir waren. Ich weiß das sehr zu schätzen.«
    Fast schüchtern lächelte er sie an.
    »Ich habe Ihnen zu danken, Mrs. Bloom. Beichte gegen Beichte – können wir unseren Glauben ehrlicher unter Beweis stellen?«
    Während die Expressfähre aus England sich auf das Elizabeth Terminal im Hafen von St. Helier zubewegte, standen endlich auch die letzten Passagiere von ihren Sitzen auf. Das Schiff war ausgebucht, denn das anhaltend schöne Wetter hatte viele Touristen angelockt. Die meisten blieben allerdings nur ein paar Tage auf Jersey, um einen Kurzurlaub einzuschieben.
    Constance stand mit ihrem Gepäck schon an der Treppe unter Deck. Sie nutzte die Zeit, um schnell noch ihre neuesten E-Mails auf dem Handy zu lesen. Gleichzeitig lenkte sie sich damit ein wenig ab. Plötzlich ruckte es, Taue wurden geworfen, Eisen quietschte.
    Mit pochendem Herzen wusste sie: Sie war da.
    Sie war da, wo sie eigentlich nie wieder sein wollte.
    Kaum hatte das riesige Schiff sich mit seinen Katamaranflügeln an die Kaimauer gelegt, da öffnete sich auch schon die Luke, die Fußgänger kamen zum Vorschein und danach die Autos, begleitet von Motorlärm, Rufen, Hupen und Möwengeschrei.
    Die Fähre hatte die englische

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