Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
setzte sich wieder auf ihren Platz. »Nein. Aber die Polizei ermittelt jetzt, ob es eine Verbindung zu dem anderen Mord gibt.« Sie seufzte. »Ach, Godfrey! Wenn ich an unsere liebe Debbie denke, könnte ich heulen. Ich nehme an, Sie haben der Polizei auch einiges über sie erzählen können.«
Der Vikar nickte. »Ja natürlich. Obwohl der Chef de Police mehr an meinem Alibi interessiert war. Aber er musste zur Kenntnis nehmen, dass ich vorgestern Abend auf einer Sitzung der Kirchenleitung in Grouville war und dort auch gleich bei einem Kollegen übernachtet habe. Offenbar hat er nun überhaupt keinen Verdächtigen mehr.«
Es war eine absichtliche Spitze gegen Harold Conway. Der Vikar wusste, dass Emily ihrem Ex-Schwager eher kritisch gegenüberstand.
»Doch, einen Verdächtigen gibt es. Frank Guiton.«
»So ein Unsinn! Debbie und Frank waren …« Er brach ab.
»Sie wissen es also auch?«, fragte Emily überrascht. »Dass die beiden befreundet waren, meine ich.«
Der Vikar nickte. »Ja. Obwohl sie es eigentlich noch nicht an die große Glocke hängen wollten.«
Emily fasste in ihre Kostümjacke und zog das Foto heraus, das sie gestern aus dem Pfarrhaus mitgenommen hatte. Mit ausgestrecktem Arm hielt sie es Godfrey hin. »Hier, das möchte ich Ihnen zurückgeben.«
Irritiert griff er danach. »Woher haben Sie das?«
»Ich weiß, es war indiskret«, sagte sie entschuldigend, »aber als ich gestern mit Harold Conway hier war, habe ich das Foto zufällig unter der Bibel liegen sehen. In dem kleinen Zimmer rechts unten …«
»Mein Meditationsraum … Er war sicher ziemlich unaufgeräumt …«
»Ach was!«
Sie verschwieg ihm, wie seltsam sie das Zimmer gefunden hatte. Heute verstand sie allerdings schon sehr viel besser, wie dringend er eine Art Mönchszelle für seine kranke Psyche brauchte.
»Harold war ziemlich in Rage«, sagte sie. »Wenn er das Foto entdeckt hätte, hätte er vielleicht die falschen Schlüsse daraus gezogen.«
»Meinen Sie?«
»Und ob! Überlegen Sie doch mal, Godfrey! Lippenstift und eine so persönliche Widmung von Debbie!«
Wurde der Vikar ein klein wenig rot, oder täuschte Emily sich, weil sie sich insgeheim wünschte, dass er rot wurde? Da die Geistlichen der Kirche von England jederzeit eine Familie gründen konnten, wäre schließlich nichts dagegen einzuwenden gewesen, wenn er mit Debbie geflirtet hätte.
Doch sie hatte sich wohl geirrt. Im Gegenteil, er schien sich über ihren Verdacht zu amüsieren, denn er lachte leise, während er noch einmal das Foto betrachtete.
»Debbie und ich? Doch, das könnte man wirklich denken, wenn man das so sieht. Aber ich kann Sie beruhigen, es war rein beruflich. Sie kam vor zwei Wochen mit einem ziemlich großen Problem zu mir und hat mich um Rat gefragt.«
Vorsichtig fragte Emily: »Ich nehme an, Sie dürfen mir nicht sagen, um welches Problem es da ging?«
Entschieden schüttelte er den Kopf. »Die Schweigepflicht, Mrs. Bloom.«
»Ja, natürlich.«
Emily wusste, dass es unfair gewesen wäre, den Vikar weiter zu bedrängen. Er hatte heute schon genug gelitten. Sie nahm ihre Handtasche und stand auf. »Gut. Dann mache ich mich jetzt mal wieder auf den Weg.«
»Ich muss auch gleich los«, sagte er, »in das neue Kinderheim.« Zögernd fügte er hinzu: »Und noch einmal, Mrs. Bloom … Es hat mir sehr geholfen, dass Sie sich so viel Zeit für mich genommen haben. Danke!«
»Das war doch selbstverständlich. Darüber müssen wir gar nicht mehr reden.«
Gedankenverloren begleitete er sie zum Gartentor. Rechts neben dem Eingang wucherte eine dichte Brombeerhecke, deren Früchte noch nicht reif waren. Plötzlich blieb der Vikar stehen.
Er hatte einen Entschluss gefasst.
»Mrs. Bloom, wenn Sie mir hoch und heilig versprechen, dass Sie es für sich behalten, sage ich Ihnen, warum Debbie bei mir war.«
Emily versuchte, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. »Ich verspreche es.«
Er faltete die Hände, so wie es viele Geistliche taten, wenn sie sich konzentrierten. Emily hatte diese Geste schon bei Godfreys Vorgänger beobachtet.
»Zwischen Debbie und ihrer Mutter gab es ein Geheimnis«, begann er zögernd. »Das Geheimnis um Debbies Vater …«
»So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht.« Emily nickte.
»Nein, nein, nicht was Sie denken. Es handelt sich vielmehr um … das schreckliche Drama von Debbies Entstehung …«
Mit einem unheilvollen Gefühl begann Emily zu ahnen, worauf er hinauswollte. »Eine
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