Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Constance ein Zeichen. Zusammen verschwanden sie im angrenzenden Büro. Tim blickte hinter Constance her, bis sich die schmale Tür hinter den beiden Frauen schloss.
»Bei Ihnen ist ja die Hölle los«, sagte Constance, während sie in dem winzigen, fensterlosen Hinterzimmer ihren Anorak auszog.
Emily nickte und räumte schnell ein paar Aktenordner von den Stühlen.
»Eigentlich sollte ich mich darüber freuen. Aber du kannst dir ja denken, dass viele Leute nur sensationsgierig sind … Schön, dass du mal vorbeikommst. Du hast den Laden ja ewig nicht gesehen.«
»Er sieht immer noch so aus wie früher.«
»Ja«, sagte Emily und lachte. »Aber nur weil ich kein Geld habe, um zu renovieren. Komm, nimm dir den Stuhl.«
Doch Constance blieb stehen. Sie wirkte unschlüssig und sehr angespannt. »Nein, ich will nicht lange bleiben. Ich wollte nur fragen, wann wir heute noch einmal in Ruhe sprechen könnten … Unter vier Augen. Vielleicht hätten Sie Lust auf einen Spaziergang.«
Etwas in der Stimme von Constance ließ Emily hellhörig werden. Die Kleine war anders als am Tag zuvor. Sie wirkte unkonzentriert und nervös. Irgendetwas stimmte nicht.
»Warum machen wir das nicht gleich?«, schlug Emily deshalb vor. »Man sollte nichts Wichtiges aufschieben.«
»Das möchte ich nicht, Mrs. Bloom, ihr Laden ist voll …«
Doch Emily ließ keinen Widerspruch zu.
»Mach dir keine Sorgen. Tim schafft das auch allein.«
Emily öffnete den Einbauschrank in der Ecke, in dem auf einem Bügel ihr Anorak hing. Sie nahm ihn heraus und zog ihn an. »Ich weiß sogar schon, was wir jetzt machen«, sagte sie, während sie ihre Haare über den Kragen des Anoraks schob. »Wir laufen oben auf den Klippen. Das macht den Kopf wunderbar frei.«
Insgeheim kam Emily diese Gelegenheit, noch einmal mit Constance allein sprechen zu können, gerade recht. Tief in sich verspürte sie den Wunsch, mehr über die Tochter ihres Mannes zu erfahren. Wie lebte sie? Was für Freunde hatte sie? Wie stellte sie sich die Zukunft vor?
Andererseits hatte Sie sich fest vorgenommen, Constance bis auf weiteres nichts davon zu erzählen, dass Richard Bloom ihr Vater war. Zum jetzigen Zeitpunkt würde es sie nur unnötig verstören. Das arme Mädchen hatte in den vergangenen Tagen schon genug durchmachen müssen.
Nachdem Emily kurz Tim Bescheid gesagt hatte, traten sie auf die Straße.
Ihr Wagen parkte direkt vor dem Schaufenster, das hübsch mit alten indischen Teekisten dekoriert war. Es hatte aufgehört zu regnen. Emily öffnete die Autotür und warf ihren kleinen Taschenschirm, der immer im Auto lag, vom Beifahrersitz nach hinten. Dann setzte sie sich hinters Steuer.
»So! Jetzt wollen wir nur noch Sonne haben.«
Constance nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Mit einem seltsamen Gesichtsausdruck blickte sie zu Emily hinüber, sagte aber nichts.
Nachdenklich ging Trevor de Sagan in seinem Büro auf und ab. Der Besuch von Emily Bloom hatte ihn stärker aufgewühlt, als er sich eingestehen wollte. Ihr Wissen war nicht nur erschreckend, es war auch gefährlich.
Es ärgerte ihn, dass er sich vor ihren Augen dermaßen hatte gehen lassen. Aber Emily war schon immer eine Frau gewesen, deren Attraktivität einen dazu verleitete, ihren Scharfsinn zu vergessen. Er hatte sie viele Jahre lang nicht gesehen. Vielleicht hatte ihn auch deshalb ihre reife Schönheit, mit der sie ihm heute gegenübergesessen hatte, aus dem Gleichgewicht gebracht.
Als Debbie Farrow damals zum ersten Mal bei ihm aufgetaucht war, hatte er noch geglaubt, er könnte die Probleme mit Geld lösen. Doch Debbie hatte diese Vorstellung mit einer Widerstandskraft zerstört, die ihn so hilflos gemacht hatte wie nie zuvor in seinem Leben. Im Grunde genommen hatte Debbie mit ihm gespielt. Und er hatte es erdulden müssen. Dass er diese Hilflosigkeit ausgerechnet Emily Bloom eingestanden hatte, machte alles nur noch schlimmer.
Trevor beugte sich über den Schreibtisch, pickte mit den Fingern ein paar Erdnüsse aus der silbernen Schale neben dem Telefon und warf sie sich in den Mund. Er liebte diesen Geschmack, der ihn beruhigte. Kauend trat er vor das Fenster und blickte in den Garten.
Die wichtigste Frage war jetzt, ob Emily Bloom die Polizei einschalten würde. Sein Instinkt sagte ihm, dass sie es nicht tun würde, erst recht nicht, nachdem er ihr die Sache mit Richard erzählt hatte. Am Ende war sein unbedachtes Verhalten vielleicht doch zu etwas gut gewesen.
Trotzdem musste er Alex warnen.
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