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Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Beling
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einem kurzen Blick zur Seite sah er, dass in ihrem Laden eine Menge los war. Er ärgerte sich darüber, denn er ahnte, warum Emily plötzlich so viel Zulauf hatte.
    Emily!
    Er trat auf die Bremse.
    Eigentlich hätte er viel früher darauf kommen müssen. Seine Ex-Schwägerin war die Einzige, die Constance Farrow näher kannte und die seit gestern ständig Kontakt mit ihr gehabt hatte. Vielleicht erfuhr er von ihr, wo er die Gesuchte finden konnte.
    Er parkte am Straßenrand, stieg eilig aus und lief quer über die Straße zum Teeladen. Links neben der Tür, in einer Mauernische zwischen Emilys Geschäft und dem Nachbarhaus, stand ein altes Motorrad mit glänzend polierten Chromteilen. Conway wusste, dass es Tim gehörte, der ständig daran herumbastelte, sodass der Auspuff von Woche zu Woche lauter wurde.
    Er riss die Tür auf, marschierte in den Laden und drängelte sich unter gemurmelten Entschuldigungen an den Kunden vorbei bis zur Ladentheke, wo er ungeduldig nach Emily Ausschau hielt. Als er sie nirgendwo entdecken konnte, wandte er sich an Tim, der gerade eine Tüte Assam-Tee auf die Waage stellte.
    »Ich muss dringend Mrs. Bloom sprechen. Ist sie hinten im Büro?«, sagte er leise.
    »Nein, Sir«, antwortete Tim genauso leise. »Constance Farrow hat sie gerade abgeholt.«
    »Wann war das?« Conway war beunruhigt.
    »Vor einer halben Stunde. Miss Farrow hatte es wohl eilig, und da ist Mrs. Bloom schnell mitgegangen.«
    Der Gedanke, dass Emily mit Constance Farrow allein unterwegs war, gefiel Conway ganz und gar nicht.
    »Weißt du, wohin die beiden wollten?«, fragte er.
    »Ich glaube, zu den Klippen von La Moye.«
    Das hatte gerade noch gefehlt. An dieser Stelle war die Steilküste besonders gefährlich. Conway wollte sich lieber nicht vorstellen, was Emily zustoßen könnte, wenn Constance sie aus irgendeinem Grund aus dem Weg räumen wollte. Von dort oben war die nächste Straße eine Meile weit entfernt und direkt neben dem schmalen Küstenpfad fielen die Klippen senkrecht zum Meer ab.
    Er bereute heftig, dass er so lange auf Constance Farrows unschuldiges Gesicht hereingefallen war.
    Emily ging auf dem schmalen Küstenpfad voran, Constance folgte ihr. Beide schwiegen.
    Wohin sie auch traten, überall wucherten Farne und dornige Sträucher, die sie mit den Händen zur Seite schieben mussten, um überhaupt durchzukommen. Die grauen Wolken über ihnen hatten den Nieselregen endgültig eingestellt und ließen hier und da sogar den blauen Himmel durchscheinen.
    Nach einem letzten Stück bergauf hatten sie es endlich geschafft. Schwitzend und keuchend traten sie auf das weit vorspringende Felsplateau hinaus. Vorsichtig schielten sie über den Rand in die beklemmende Tiefe. Gut hundert Fuß unter ihnen brodelte das aufgewühlte Meer. Emily zeigte keinerlei Angst, als sie so dicht am Abgrund stand.
    »Für mich der schönste Platz, um nachzudenken«, sagte sie ehrfurchtsvoll, ohne sich umzudrehen. »Findest du nicht auch?«
    Constance stand dicht hinter Emily. Der Wind blies ihr die Haare aus dem Gesicht. Ihre Augen waren so fest auf Emilys Rücken fixiert, als wenn sie sich daran festsaugen würden.
    »Ja … Man kommt sich fast vor wie auf einem Schiff«, sagte Constance in den Wind hinein.
    Emily spürte, dass Constance seltsam elegisch klang, und blickte sich um. Lächelnd sagte sie: »Ein bisschen sind Inseln ja auch wie Schiffe … Schiffe, die nie ankommen.«
    »Ja … vielleicht konnte ich deshalb nicht auf Jersey bleiben. Ich wollte irgendwann angekommen sein.« Der Wind pfiff so laut, dass Constance’ Stimme ganz hell klang.
    »Warum beschäftigt dich das eigentlich so? Ich meine, dass du dich damals entschlossen hast, nach England zu gehen …«, fragte Emily.
    »Weil ich ein schlechtes Gewissen habe. Wäre ich geblieben, wüsste ich heute mehr über meine Schwester«, antwortete Constance ausweichend.
    Emily hatte das Gefühl, dass irgendetwas Dramatisches in Constance vorging. Doch sie musste geduldig sein und durfte nicht drängen.
    Sie zogen ihre Anoraks aus und breiteten sie nebeneinander auf dem nassen Boden aus, um trocken zu sitzen. Ihr Platz war wie ein Adlerhorst, von dem aus sie einen weiten Blick in alle Himmelsrichtungen hatten. Unter ihnen rauschte das Meer, als würde bald die Welt zusammenbrechen.
    »Wie war deine erste Nacht in Debbies Wohnung?«, fragte Emily vorsichtig.
    »Nicht so schlimm, wie ich dachte. Auch wenn ich viermal aufgewacht bin und ziemlich wirre Träume

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