Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Wettzeitschriften. In dem kleinen Fernsehapparat, der an der Wand hing, lief stumm ein Golfturnier.
Überrascht blickte Guiton zur Tür, als Willingham mit einer schwarzen ledernen Aktentasche in der Hand eintrat.
»Richter Willingham!«
»Ich will sie nicht lange stören, Frank. Ich wollte Sie nur kurz über eine Neuigkeit informieren.«
»Bitte nehmen Sie sich doch den Stuhl …«
»Nein, danke, es tut mir ganz tut, zu stehen.« Er kam lächelnd näher, während Guiton mit der Fernbedienung den Fernseher ausschaltete. »Die Neuigkeit betrifft mich selbst.«
Irritiert hob Guiton seinen bandagierten Kopf vom Kissen.
»Inwiefern?«
»Richter Willingham gibt es ab heute nicht mehr.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich habe beschlossen, wieder als Anwalt zu arbeiten. Und wenn Sie Lust haben, sind Sie mein erster Mandant.«
Guiton hob den Kopf von seinem Kissen. »Das ist ja eine Überraschung!« sagte er strahlend. »Natürlich würde ich mich freuen, wenn Sie meinen Fall übernehmen könnten!« Er ließ sich wieder zurücksinken. »Ich kann’s nicht glauben!«
»Noch heute Abend werde ich mich hinsetzen und unsere nächsten Schritte ausarbeiten«, erklärte Willingham. »Als Erstes müssen wir es schaffen, Ihr Gestüt vor dem Zugriff der Bank zu retten. Danach können wir uns darum kümmern, wie wir den Vorwurf des Versicherungsbetrugs abschmettern.«
»Aber wie soll das alles gehen, solange ich an dieses Bett gefesselt bin?«
»Das sollte kein Problem sein. Dann muss eben ich die Ärmel hochkrempeln. Geben Sie mir eine Vollmacht für Ihre Haushälterin mit und sagen Sie mir, wo ich in Ihrem Gestüt die entsprechenden Unterlagen finde.«
Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, weihte ihn Frank Guiton in alles Geschäftliche ein. Er hatte das Gefühl, Willingham blind vertrauen zu können. Innerhalb von Minuten verwandelte sich das Krankenzimmer in ein Büro. Willingham zauberte mehrere Vollmachten, einen teuren Schreibblock, zwei silberne Kugelschreiber und jede Menge Heftklammern aus seiner teuren Aktentasche hervor, dann begannen sie mit der Arbeit.
Als sie fertig waren, packte Willingham alles wieder ein. Er tat es so ruhig und so selbstverständlich, als hätte er nie anders gearbeitet.
»Ausgezeichnet«, sagte er zufrieden, »so können wir es schaffen. Schon morgen Vormittag wird Ihre Bank eine Klage wegen Vertragsverletzung auf dem Tisch haben, die den Jungs Angst machen wird.«
Frank Guiton konnte nur staunen.
In einem entscheidenden Punkt war Harold Conway mit seinen Ermittlungen im Mordfall Debbie Farrow immer noch unzufrieden.
Bis auf Constance Farrow und einen Cousin namens Oliver Farrow – ein arbeitsloser Bursche aus St. Helier – gab es keine Verwandten mehr, die er befragen konnte. Debbies Mutter war vor vier Jahren verstorben, und Väter waren in dieser merkwürdigen Sippe offenbar unerwünscht.
Den Cousin hatte Conway gestern noch einmal am Hafen verhört. Viel war dabei allerdings nicht herausgekommen. Wie auch seine Nachbarn bestätigten, war Oliver Farrow zwar eine haltlose, verlorene Seele, aber im Grunde ein prima Kerl. Früher hatte er sich oft um Debbie Farrows kleinen Sohn gekümmert, ihn sogar gelegentlich mit zu sich nach Hause genommen. Doch seit er nur noch selten Arbeit fand und viel trank, war nicht mehr viel los mit ihm. Für die Tatzeit in Debbies Fall hatte er das zuverlässigste Alibi, das man sich überhaupt nur vorstellen konnte: Eine Polizeistreife hatte ihn gegen neunzehn Uhr auf der Küstenstraße nach St. Clement aufgegriffen, wo er unter dem Einfluss von Ecstasy als Anhalter unterwegs gewesen war. Da er keine Papiere bei sich hatte, hatten die Kollegen ihn sicherheitshalber mit aufs Revier genommen. Von dort war er erst kurz nach Mitternacht zurück nach Hause gebracht worden.
Auch mit dem Mord an Jolanta Nowak ließ sich Oliver Farrow nicht in Verbindung bringen. Es gab keine Fingerabdrücke, die zu ihm passten, und keine Zeugen, die ihn zusammen mit der Polin gesehen hatten. Zur vermuteten Tatzeit entlud er gerade ein Frachtschiff im Hafen.
Blieb aus der Familie also nur Constance Farrow, mit der sich Conway noch einmal näher beschäftigen wollte.
Eigentlich hatte der Chef de Police einen guten Eindruck von ihr gehabt. Was ihn jedoch immer mehr irritierte, war, dass Constance es so eilig damit gehabt hatte, in die Wohnung ihrer ermordeten Schwester einzuziehen. Normalerweise hatten nahe Verwandte allergrößte Probleme damit, die Räume von Verstorbenen
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