Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Ställen?«, fragte Helen.
»Über den Ställen. Ich möchte so viel Kontakt wie möglich haben zu Franks Leuten.«
Willinghams Antwort schien Helen zu gefallen.
»Dann passen Sie gut auf den alten Stallmeister auf. Fremden gegenüber ist er ein Stinkstiefel«, sagte sie warnend.
»Danke für den Rat. Was ist mit der Haushälterin?«
»Sie ist eine Seele von Mensch. Sie würde alles tun für Frank.«
»Und die jungen Bereiter?«
»Die kenne ich leider nicht gut genug. Schließlich habe ich hier noch einen kleinen Job zu machen und komme nur selten auf das Gestüt.« Helen wies auf ihre Felder. »Wir haben Erntezeit. Da kann es manchmal etwas lauter werden, wenn die Traktoren unterwegs sind.«
Willingham lächelte. »Ich weiß. Ich bin auf dem Land aufgewachsen.«
»Ach ja? Und wo?«
»Bei St. Martin.«
»Dann hätten wir uns eigentlich schon längst begegnet sein müssen. Ich komme aus Trinity, meine Eltern hatten dort einen Tomatenanbau«, sagte Helen.
»Oh, ein Tomatenmädchen!«
Helen lachte. Sie wusste, wie die Jungs früher immer um die Felder herumgeschlichen waren, um ihre Späße mit den jungen Pflückerinnen zu machen. Auch wenn in ihrer Jugend die eigentliche Glanzzeit der berühmten Jersey-Tomaten längst vorbei war.
Willingham wurde wieder ernst und zog zwei große Fotos aus der ausgebeulten Tasche seiner Jacke. Es handelte sich um Seiten, die er ganz offensichtlich aus dem Internet heruntergeladen hatte.
»Darf ich Ihnen noch etwas zeigen, Miss Keating? Wie ich schon sagte, bin ich gerade dabei, Entlastungsmaterial für Mr. Guiton zu sammeln. Werfen Sie doch bitte mal einen Blick auf diese Fotos.«
Er hielt Helen die beiden DIN-A4-Seiten über den Zaun hinweg hin. »Haben Sie diese beiden Männer jemals hier draußen gesehen?«
Aufmerksam studierte Helen die Gesichter. Sie waren sehr unterschiedlich. Der eine hatte einen bulligen Schädel, kleine Schweinsaugen und eine Halbglatze, der andere lange dunkle Haare, ein kantiges Kinn und einen Schnurrbart. Beide lächelten.
»Ja, ich glaube schon, dass ich sie kenne. Ich bin mir sogar ziemlich sicher.«
»Und woher?«
»Sie waren als Besucher hier. Bei einer unserer täglichen Führungen durch das Gelände und durch unsere Destillerie.«
Emily staunte, dass sich Helen noch daran erinnern konnte. Aber wie viele gute Geschäftsleute besaß sie eine vorzügliche Menschenkenntnis. Auch Willingham war sichtlich davon beeindruckt. Plötzlich war er wieder ganz der aufmerksame Jurist. »Interessant. Und die Männer erschienen gemeinsam?«
»Ja.«
»Wissen Sie auch noch, wann das war?«
Sie überlegte. »Es ist noch gar nicht so lange her … Sie kamen am ersten Juni, als wir von morgens bis abends nur japanische Gruppen zu Besuch hatten. Eigentlich wollten wir sie gar nicht reinlassen, aber dann jammerten sie herum, sie kämen aus Oxford und seien nur diesen einen Tag auf Jersey … Na ja, dann wird man eben doch weich. Sie haben sich besonders für die Destillerie interessiert, das weiß ich noch. Und sie waren ständig am Fotografieren.«
Willingham schätzte den Abstand von der Rückseite der Destillerie bis zu Frank Guitons Grundstück. Es waren höchstens hundert Fuß. »Hmm … Das könnte einen Sinn ergeben«, sagte er nachdenklich, während er prüfend in alle Richtungen blickte. »Hier vom Zaun aus kann man zwar das Gestüt nicht sehen, aber einen Teil des dazugehörigen Grundes … Der hat sie offensichtlich interessiert.«
»Und jetzt?«, fragte Helen. »Wer sind diese Männer? Oder dürfen Sie mir das nicht verraten?«
Willingham schaute sie einen Augenblick lang forschend an, als wäre er unsicher, ob er ihr die Wahrheit sagen durfte.
Doch dann schien sein Vertrauen zu siegen.
»Das sind die beiden Männer, die gesehen haben wollen, wie Frank Guiton sein Pferd nachts mit einem Anhänger quer über die Insel transportiert hat. Ein Gemüsehändler und ein Versicherungsagent. Der eine will Frank in der Hauptstraße von St. Ouen beobachtet haben, der andere in St. Peter.« Er zog ein weißes Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich damit die Hände ab, die am Zaun ein bisschen schmutzig geworden waren. »Angeblich sind sich diese Zeugen noch nie begegnet.«
Helen reagierte etwas irritiert. »Das heißt, ich bin jetzt die Einzige, die das widerlegen könnte?«
Mit dem Blick des Siegers hob Willingham seine Augenbrauen an und gönnte sich ein kleines triumphierendes Lächeln. »Nein, Sie sind nicht allein, Miss Keating.
Weitere Kostenlose Bücher