Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
kannst dich nicht erinnern? Soll das ein Witz sein?«
»Es ist wie eine Blockade. Mein Gehirn macht einfach nicht mit. Ich weiß, dass ich irgendetwas Entscheidendes über Alex und Trevor weiß, aber es fällt mir nicht mehr ein.« Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Als wenn ich atmen will, und es geht nicht …«
Helen legte ihre Hand auf Emilys Arm. »Ist das wirklich so furchtbar? Eigentlich hast du dich doch immer nach diesem Zustand gesehnt? Dich nie mehr erinnern zu müssen.«
»Aber nicht so. Nicht so quälend, Helen. Und nicht ausgerechnet jetzt.«
Sie schwiegen einen Augenblick.
Schließlich sagte Emily: »Ja … und deshalb werde ich so lange nichts gegen Trevor unternehmen, bis ich weiß, welcher Baustein mir fehlt.«
»Und Constance vertraust du?«
»Absolut.« Sie lächelte. »Du meinst, weil ihre Mutter und ihr Vater Lügner waren, sollte ich vorsichtiger sein?«
Helen beeilte sich, diesen Eindruck nicht entstehen zu lassen.
»Nein, nein, ich dachte nur … dass sie vielleicht nur nett ist zu dir, weil sie etwas erwartet von dir. Zum Beispiel das, was du getan hast. Sie vor Harold Conway in Schutz zu nehmen.«
Emily schüttelte den Kopf. »Du schätzt sie ganz falsch ein. Constance ist eigentlich immer noch ein kleines Mädchen, das verzweifelt nach richtigen Eltern sucht. Die hat sie nie gehabt. Soll ich sie ausgerechnet jetzt allein lassen?«
»Und es macht dir nichts aus, dass du immer Richards Gesicht in ihr siehst?«
»Nein.« Emily biss sich auf die Unterlippe. Dann fuhr sie leise fort: »Weil ich ihn bis zuletzt geliebt habe …«
Helen beugte sich vor und nahm Emily fest in den Arm. »Dumme Frage von mir. Natürlich musst du alles so machen, wie dein Herz es dir befiehlt.« Sie stand auf. »So – und jetzt gönnen wir uns was!«
Sie verschwand im Haus und kam mit einem Tablett zurück, auf dem zwei Gläser Pimms standen, dem beliebten Sommercocktail der Insel. Plötzlich wanderte ihr Blick zum Ende des Farmgeländes, wo ein schlanker grauhaariger Mann stand, der ihnen zuwinkte. Sie stutzte. »Wer steht denn da hinter dem Zaun?«
»Der will was von dir«, stellte Emily fest, die insgeheim erleichtert war über diese Unterbrechung.
Der Mann befand sich auf der benachbarten Wiese, die bereits zu den Pferdekoppeln von Frank Guitons Gestüt gehörte. Helen hatte vor ein paar Tagen mehrfach miterleben müssen, wie dort drüben die Kriminalbeamten durch das Gelände gestapft waren, vor allem in der Zeit, als Guiton noch im Gefängnis saß.
»Komm mit«, sagte sie grimmig.
Sie verließen die Terrasse und gingen durch die langen Reihen der Lavendelpflanzen zum Zaun. In diesem Bereich des Parks hing der Duft der blauen Blüten besonders stark in der Luft, denn an der Rückseite der Destillerie lagerten Helens gesamte Vorräte an frischer Ernte.
Emily wusste sofort, wer da vor ihnen stand.
Es war der ehemalige Richter Willingham, der die Leiche in St. Helier gefunden hatte. Er trug eine abgenutzte dunkelblaue Barbourjacke. Sie kannte ihn als Kunden aus ihrem Laden, wo er oft teure Teesorten orderte. Was tat er hier?
»Tut mir leid, wenn ich Sie gestört habe«, rief er über den Zaun hinweg. »Ich wollte mich nur als neuer Nachbar vorstellen. Hallo, Mrs. Bloom!« Er nickte zuerst Emily, dann Helen lächelnd zu. »Und Sie sind Miss Keating, nehme ich an. Mein Name ist Willingham.«
»Angenehm«, sagte Helen kühl. Doch Emily sah genau, mit welch intensiver Neugier Helen den Mann betrachtete. Damit Willingham keinen schlechten Eindruck von ihrer sprachlosen Freundin bekam, mischte sich Emily schnell ein.
»Haben Sie denn das Gestüt übernommen, Richter Willingham?«
»Nein. Aber ich bin jetzt wieder als Anwalt tätig und nehme für eine Weile Mr. Guitons Interessen wahr. Deshalb werde ich auch für die nächsten Tage hier draußen wohnen.« Er wandte sich wieder an Helen. »Ich soll Sie übrigens ganz herzlich von Frank grüßen, Mrs. Keating. Er muss leider noch im Krankenhaus bleiben.«
»Danke«, sagte Helen. »Ich hoffe, Ihnen gelingt, was der Polizei bisher nicht gelungen ist.«
Willingham stutzte. »Und das wäre?«
»Franks Unschuld zu beweisen.«
»Genau darum bin ich gekommen«, antwortete Willingham.
Die beiden maßen sich mit ihren Blicken. Für Emily war sofort klar, dass sich hier zwei Menschen gegenüberstanden, die sich in ihrer Ähnlichkeit erkannten. Beide liebten offene Worte und den direkten Weg.
»Wohnen Sie im Gästetrakt oder in der Wohnung über den
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