Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
schnell seinen Hoden, der tatsächlich an einer Stelle blutete. Hektisch tasteten seine Finger unter der Decke durch den Sand, bis er die Ursache der Verletzung fühlte. Mit einem Ruck zog er das Teil hervor. Es sah aus wie eine abgebrochene Fahrradspeiche. Wütend schleuderte er die dünne Stange von sich. »Verdammte Touristen!«
Jeanette saß nackt und mit angezogenen Beinen vor ihm, ihren Blick magisch auf sein Unterteil gerichtet. Sichtlich enttäuscht sah sie zu, wie sich das stolze Segel ihres Surflehrers langsam wieder einrollte. Jedenfalls kam es Shaun so vor. Vielleicht starrte sie aber doch nur auf die blutende Schnittwunde und bedauerte ihn wirklich. »Du Armer! Ist es schlimm?«
»Geht schon … Hey, das tut mir jetzt echt leid«, sagte er entschuldigend.
»Macht doch nichts …« Sie lächelte tröstend. »Wir holen das nach.«
Es war eine liebevolle Lüge, denn er wusste, dass sie morgen früh wieder mit der Fähre nach Frankreich zurückkehren würde.
Schweigend sammelten sie ihre Kleidung ein und zogen sich an. Seine Wunde schmerzte bei jeder Bewegung, er hätte sich krümmen können. Doch er zeigte es nicht. Hand in Hand gingen sie zum Wagen zurück.
Am meisten fürchtete er, dass Jeanette es herumerzählen könnte. Der König der Surfer mit einer Fahrradspeiche in den Eiern – auf dem College hätten die Jungs ihm für diese Leistung ein Denkmal errichtet.
Nachdem er Jeanette wieder vor dem Eingang des Jugendhotels aus dem Auto gelassen hatte, fuhr er nicht gleich wieder los, sondern dachte einen Augenblick mit laufendem Motor nach. Seine Schmerzen nahmen zu. Was ihn besonders beschäftigte, war die Frage, was er jetzt mit der Wunde machen sollte. Wenn ihn nicht alles täuschte, begann der Hoden bereits heftig anzuschwellen. Doch ins Krankenhaus wagte er damit nicht zu gehen, das wäre ihm peinlich gewesen.
Plötzlich erinnerte er sich an die vertrauliche Telefonnummer, die ihm sein Onkel Alex vor einiger Zeit für Notfälle zugesteckt hatte. Angeblich verstand der Mann, dessen Namen Shaun nicht einmal kannte, mehr von Medizin als jeder Arzt. Genau so einen Mann brauchte er jetzt.
Hastig durchsuchte er das Telefonverzeichnis seines Handys und fand die Nummer auch wieder. Nachdem er gewählt hatte, klingelte es lange, ohne dass jemand abnahm. Gerade wollte er enttäuscht den Anruf beenden, als sich am anderen Ende doch noch eine männliche Stimme meldete.
»Hallo …?«
Obwohl der Mann seinen Namen nicht nannte, erkannte ihn Shaun sofort. Es machte ihn so sprachlos, dass er ein paar Sekunden brauchte, bis er sich wieder gefasst hatte und antworten konnte.
Für den nächsten Vormittag hatten Emily und Vikar Ballard sich in der Markthalle von St. Helier verabredet. Das kuppelartige Granitgebäude mit den roten Eingängen aus Eisen präsentierte sich noch im selben viktorianischen Stil, in dem es 1881 errichtet worden war. Nach Art französischer Markthallen wurde hier alles geboten, was Feinschmeckern Freude bereitete.
Es war Godfrey Ballards Wunsch gewesen, dass sie sich hier trafen. Emily kam diese Verabredung sehr gelegen. Nach ihrer gestrigen Krise tat es ihr gut, sich auf diese Weise abzulenken.
Mit ihren Einkaufskörben in den Händen zogen sie plaudernd durch die Markthalle. Beim Fischhändler wurden gerade frische Muscheln auf dem Eis ausgebreitet. Ein französischer Weinhändler pries lautstark seinen Bordeaux an. Aus der Reihe gegenüber duftete es nach frischem Brot.
Godfrey hatte verschiedene Pasteten, eingelegte Oliven, frischen Salbei und einen kleinen halben Hummer in seinem Korb. Jetzt blieb er mit Kennermiene vor dem Käse stehen.
»Kennen Sie den Gaperon aus der Auvergne, Mrs. Bloom?«, fragte er und ließ sich ein Stück zum Probieren geben. »Hmmm! Ich liebe ihn!«
»Mir ist er zu fett«, meine Emily und wandte sich an die Verkäuferin. »Für mich bitte Charolais und Bleu du Jura …«
Sie freute sich auf ihr heutiges Abendessen mit Constance. Dass das Mädchen allein in Debbies Wohnung hauste, wo sie durch jedes Bild an der Wand und jedes Kleidungsstück im Schrank an ihre verstorbene Schwester erinnert wurde, gefiel Emily gar nicht. Da war es schon besser, sie nutzten die Zeit, um sich näher kennenzulernen.
Auch der Vikar freute sich auf sein opulentes Mahl. Liebevoll legte er den verpackten Käse neben den Salbei, während sie weitergingen. »Ich will heute Mittag ein neues Hummer-Rezept ausprobieren«, erklärte er. »Das Ganze wird überbacken und kommt
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