Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
zusammen mit dem Käse auf den Teller.«
»Klingt gut«, sagte Emily. »Aber haben Sie nicht heute um halb zwölf Ihre Sprechstunde?«
Godfrey pickte im Vorbeigehen eine Kostprobe von einem spanischen Schinken auf, die ein junger Mann ihm auf einem Holzbrett hinhielt.
»Nein, heute fällt die Sprechstunde aus. Wir haben den Installateur im Haus.«
Sehnsüchtig schielte er zum Pralinenstand hinüber. Doch in Emilys Beisein wagte er nicht, etwas zu kaufen. Sie bemerkte jedoch seinen hungrigen Blick. Der verlockende Geruch von Schokolade drang auch zu ihr herüber. Ganz plötzlich bekam sie Lust auf Pralinen. Und wie immer, wenn sie dabei war, ihre Prinzipien zu verraten, hatte sie auch schon eine passende Entschuldigung parat. Diesmal lautete sie: Godfrey und ich haben ja erlebt, wie schnell ein Leben zu Ende gehen kann.
Sie stieß den Vikar an. »Na, wie wär’s, Godfrey?«, fragte sie mit verschwörerischem Lächeln. »Wollen wir uns eine kleine Praline genehmigen?«
»Na, da sage ich doch nicht Nein!«, antwortete er erleichtert und eilte zur gegenüberliegenden Seite des Ganges. Mit strahlenden Augen betrachtete er die Türme aus Schokotrüffeln.
Als sie ein paar Minuten später zufrieden weitergingen, schob Godfrey sich genüsslich eine Ingwertrüffelpraline in den Mund und fragte: »Wie geht es eigentlich Constance? Ich habe sie noch gar nicht gesehen, seit sie hier ist.«
»Ach, sie ist ziemlich gefasst«, antwortete Emily. »Und natürlich erleichtert, dass Harold Conway seinen Verdacht gegen sie fallen gelassen hat.«
Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen, aber nun war es zu spät. Eigentlich hatte sie die Sache gegenüber dem Vikar gar nicht erwähnen wollen.
Godfrey horchte auf. »Wieso? Was für ein Verdacht?«, fragte er überrascht, als sei es ein unverzeihlicher Vertrauensbruch, dass Emily ihm nicht längst davon erzählt hatte.
Dabei wollte sie ihn nur schonen. Dass er selbst in den Mordfall verwickelt gewesen war, hatte ihm in den vergangenen Tagen schon genug zu schaffen gemacht. Aus demselben Grund hatte sie bisher auch kein Wort verloren über ihren Besuch bei Trevor de Sagan.
Sie berichtete ihm in Kurzform, wie der Chef de Police sie und Constance an den Klippen aufgestöbert hatte. Zufrieden darüber, dass er jetzt wieder vollständig informiert war, lauschte ihr der Vikar. Als sie fertig war, meinte er amüsiert:
»Das wird Harold Conway Ihnen nie verzeihen, das ist Ihnen hoffentlich klar?«
»Ich weiß. Deswegen habe ich auch gebetet, dass Constance die Wahrheit gesagt hat.«
»Und, hat sie?«
»Ja. Man hat alles nachgeprüft. Es war genau so, wie sie es beschrieben hat.«
Godfrey nahm einen Pfirsich von einem Stapel Obst und roch daran. »Machen die Ermittlungen denn Fortschritte?«
»So richtig nicht. Außer dass man jetzt alle dunklen Pick-ups überprüft, die auf Jersey gemeldet sind. Ich habe gerade vorhin mit Harold Conway telefoniert.«
Süffisant fragte Godfrey: »Ach, Sie sprechen doch noch miteinander?«
»Um ehrlich zu sein, ich habe mich bei ihm entschuldigt. Das wollten Sie doch hören, oder?«
Er lächelte zufrieden wie ein Baby. »Ja. Hätte mir auch leidgetan, wenn Sie und Mr. Conway dermaßen über Kreuz liegen. Unsere Gemeinde ist zu klein für Streitereien, finde ich.«
»Das ist wohl wahr.«
Plötzlich wurde er ernst. »Ja, unsere Gemeinde … Das ist auch das Stichwort, Mrs. Bloom, weswegen ich Sie heute treffen wollte. Ich brauche Ihren Rat.«
»Bitte, Godfrey.«
Sie gingen langsam weiter.
»Wir haben ja neulich über mein … persönliches Problem gesprochen. Mir ist danach klar geworden, wie dringend ich etwas ändern muss. Ich habe ein bisschen im Internet herumgestöbert … Da gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten. Entweder ich melde mich hier auf Jersey bei den Anonymen Alkoholikern an. Oder ich lasse mich für sechs Wochen in eine Klinik in der Nähe von London einweisen.« Er sah Emily unsicher an. »Was ist wohl besser für mich?«
Sie überlegte einen Moment. »Wenn Sie es hier machen wollen, laufen Sie Gefahr, aus Scham gar nicht hinzugehen. Ich kenne Sie, Godfrey.«
»Vielleicht haben Sie recht – also lieber die harte Tour?«
Lächelnd bemühte sie sich, ihn zu lockern. »Als Küchenpsychologin würde ich sagen, ja. Sie nehmen Urlaub und verschwinden.«
»Und was sage ich der Kirchenleitung? Die ganze Wahrheit?«
Sie sah ihn schief an. »Godfrey! Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die Kirchenleitung noch nichts
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