Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
Entfernung vom spritzenden Blut ist eine andere. Wenn ein Politiker also die Marines schickt, ist er genauso gewalttätig wie sie. Der sich für den Krieg entscheidende Politiker muss sich bewusst sein, dass seine Entscheidung gleichbedeutend damit ist, selbst mit dem Schwert auf die Gegner loszugehen und sein Leben in Gefahr zu bringen. Wenn ein Präsident oder ein Kongressmitglied beschließt, in den Krieg zu ziehen, muss er oder sie das als Krieger tun, nicht als Politiker. Es sind die Anführer, die Gewalt einsetzen, um Gewalt zu stoppen – genauso definiert sich der Krieger. Das ist ein Grund, warum die Wähler militärische Erfahrung in der Regierung zu schätzen wissen sollten.
Die wachsende zynische »Alle Mittel sind erlaubt«-Haltung
Sich ganz in die Offensive zu begeben, heißt nicht, dass alle Mittel erlaubt wären. Mir wird immer wieder erklärt, gewöhnlich von Leuten, die ohne jede Kriegserfahrung sind und in unterschiedlichem Maß vereinfachend argumentieren, in der Liebe wie im Krieg sei alles erlaubt und sich Regeln zu setzen vollkommener Unsinn. Das ist einfach nicht wahr. Auf die Position zu verfallen, Fair Play und die Impulse eines guten Charakters hätten in einem modernen Krieg keinen Platz, und stattdessen den »real«-politischen Rambo zu geben, ist etwas, was ein ethischer Krieger niemals tun darf. Wie ich gesagt habe, Krieger müssen vorbehaltlos Krieg führen können, bis der Gegner aufhört, Gewalt auszuüben. Aber sich voll in den Kampf zu werfen, alle Kräfte aufzubieten, die einem zur Verfügung stehen, ist etwas anderes, als einen Krieg ohne ethische Maßstäbe zu führen. Mit einer hinter den Rücken gebundenen Hand in den Boxring zu steigen, ist etwas anderes, als sich darauf zu einigen, Schläge unter die Gürtellinie zu unterlassen. Ist der Tierarzt, der den tollwütigen Hund mit einer Spritze tötet, weniger effizient als der wütende Mann, der ihn erschießt oder vergiftet?
Ich kenne keine besseren Beispiele von Charakterstärke und Fair Play im Krieg als die von Hans von Luck beschriebenen. Von Luck war einer der höchstdekorierten jungen Offiziere in Erwin Rommels Panzertruppe. Mit achtzehn war er 1929 in die deutsche Wehrmacht eingetreten und wurde einer von Rommels Lieblingsoffizieren. Er kämpfte an der Ostfront, in Nordafrika, Frankreich und Deutschland. In den letzten Tagen vor dem Kampf um Berlin wurde er von den Russen gefangen genommen und verbrachte fünf Jahre in einem russischen Arbeitslager.
In Nordafrika kommandierte von Luck eine Panzeraufklärungsabteilung und später ein Panzergrenadierregiment. Panzeraufklärer-Einheiten bewegten sich ständig an den äußeren Rändern des Schlachtfeldes, schützend, erkundend. So kam er sehr oft mit seinen britischen Gegnern in Berührung, den Royal Dragoons und den Eleventh Hussars. In der baumlosen Wüste, ohne Bezugspunkte und Satellitenunterstützung, war es für die Einheiten unmöglich, nach Einbruch der Dunkelheit zurück zu ihrer Basis zu finden. Ein Leuchtsignal hätte die Position an die Artilleriestellungen verraten. Somit kam die Aktivität auf beiden Seiten abends zum Erliegen.
Eines Nachts empfing von Luck über Funk eine Anfrage von den Royal Dragoons.
»›Hallo, here are the Royal Dragoons. Es ist zwar ungewöhnlich, mit Ihnen Funkverkehr aufzunehmen, aber wir vermissen seit heute Abend Lieutenant Smith mit seinem Scout-Spähtrupp. Ist er bei Ihnen, und wenn ja, wie geht es ihm und seinen Leuten?‹
›Ja, er ist bei uns, alle Mann sind unverletzt und lassen ihre Angehörigen und Kameraden grüßen.‹ Dann kommt der ›Gedankenblitz‹.
›Können wir Sie oder die 11 th Hussars auch ansprechen, falls wir jemanden vermissen?‹
›Sure, your calls are always welcome.‹
Es dauert nur ein paar Tage, bis wir ein ›gentlemen’s agreement‹ abgeschlossen haben:
Strikt 17 . 00 Uhr werden alle Feindseligkeiten eingestellt, wir nennen es ›tea-time‹; um 17 . 05 Uhr nehmen wir unverschlüsselt Kontakt zu den Engländern auf, um ›Neuigkeiten‹ über Gefangene etc. auszutauschen.
In der Tat können wir oft auf eine Entfernung von etwa 15 Kilometern sehen, wie die Engländer ihre Primuskocher herausholen und ihren Tee kochen.« [82]
Eines Abends verließ von Lucks Arzt die äußere Grenze der Stellung, um sich zu erleichtern, und kam nicht wieder zurück. Er war unersetzlich, und sein Verlust war ein schwerer Schlag. Schließlich fragte von Luck die Briten. Ja, sie hätten ihn. Darauf
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