Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
jahrelang erklärt hatte, dass sich mit Gewalt keine Konflikte lösen ließen und dass er in diesem speziellen Konflikt weder auf der einen noch auf der anderen Seite stehe. Hätte er seinen Bewacher getötet, um zu fliehen, hätte er seiner Ansicht nach alles entwertet, wofür er jahrelang einstand. Er sagte: »Wenn es nicht darum geht, jemanden zu schützen, würde ich niemals eine Waffe benutzen.«
Ist Terry Waite der Krieger der Zukunft oder einfach nur verrückt?
Er ist weder das eine noch das andere. Er ist ein tapferer Mann, und nicht alle tapferen Männer sind Krieger. Aber in jenem Interview half Waite zu definieren, was ein Krieger ist, als er sagte, er würde sich auf keine Seite schlagen und eine Waffe benutzen, also Gewalt anwenden, solange es nicht darum gehe, jemanden zu schützen. Im Gegensatz zu Waite
wählt
der Krieger eine Seite. Sich auf eine Seite zu stellen, ist die grundlegende erste Entscheidung, die er zu treffen hat. Wie Waite will ein Krieger ebenfalls jemanden gegen Gewalt schützen, aber Waite spricht von Gewalt, die unmittelbar ausgeübt wird. Die zweite grundlegende Entscheidung des Kriegers besteht darin, zur Gewaltanwendung bereit zu sein, um jemanden auch gegen beabsichtigte oder indirekte Gewalt zu schützen. Diese zweite grundlegende Entscheidung impliziert, dass der Krieger, indem er Gewalt gegen Gewalt anwenden will, das Risiko akzeptiert, sein Leben zu verlieren oder verkrüppelt zu werden. Ein Krieger zu werden verlangt, dass man diese beiden Grundentscheidungen trifft und die damit verbundenen Risiken akzeptiert. Das Gesagte bedeutet, dass das Wort »Krieger« nicht mit dem Adjektiv »ethisch« verbunden werden muss. Ein Krieger handelt aus seiner Definition heraus ethisch. Gewalt anzuwenden, ohne jemanden schützen zu wollen, macht aus dem betreffenden Menschen einen Tyrannen oder Mörder.
Die erste Entscheidung, die Wahl der Seite, bedeutet, den Geist eines Kriegers anzunehmen. Die Menschen, die das tun, werden gleichsam zu
metaphorischen
Kriegern. In gewisser Hinsicht sind sie
wie
Krieger, ohne tatsächlich welche zu sein. Trotzdem, die Wahl der Seite ist bereits ernst genug und geht oft mit großen persönlichen Opfern einher. Ein gutes Beispiel dafür ist der Informant einer Regierung oder Institution. Die zweite Entscheidung jedoch, Gewalt anzuwenden, um jemanden gegen tatsächliche oder beabsichtigte Gewalt zu beschützen, was in aller Regel das Leben und die Psyche des sich so Entscheidenden in Gefahr bringt, macht aus dem
metaphorischen
Krieger einen
wirklichen
Krieger, der bereit ist, Menschen zu töten.
Weil Krieger diese beiden grundlegenden Entscheidungen treffen, die Waite nicht trifft, fußt ihr Tun auf einem anderen Moralkodex als dem, nach dem Waite handelt. Hinter Waites moralischer Philosophie steht, was ich Waites Diktum nenne: »Gewalt ist kein Mittel, um Probleme zu lösen.« Aber Waite selbst sagte in seinem Interview, dass er eine Waffe benutzt hätte, um jemanden zu schützen. Das ist das Diktum des Kriegers: »Keine Gewalt, es sei denn, um jemanden vor Gewalt zu schützen.«
Diese beiden scheinbar unvereinbaren Positionen laden zu wundervollen philosophischen Moraldebatten ein. Ich kann nicht sagen, dass Waites Position moralischer oder weniger moralisch wäre als die des Kriegers. Ich kann nur sagen, dass die Position des bewussten Kriegers in einer unvollkommenen Welt das Leiden durch politische Gewalt vermindert, während Terry Waites Position das nur in einer vollkommenen Welt gelingt. Und eines
meiner
Glaubensaxiome ist, dass wir nicht in einer vollkommenen Welt leben.
Damit ein Moralkodex einen praktischen Nutzen hat, muss er in der Welt anwendbar sein, in der wir leben. Ich nehme ganz ungeniert den utilitaristischen Standpunkt ein, dass ein Moralkodex das Leiden in dieser Welt reduzieren helfen muss. Diese Einstellung lädt wiederum zu der Kritik ein, dass der Krieg selbst Leiden verursacht, die es ohne ihn nicht gäbe. In diesem Zusammenhang ist die Frage entscheidend, wie viel Gewicht wir dem nicht körperlichen Leiden beimessen, zum Beispiel, wenn wir unter einem Diktator leben müssen – und damit sind wir wieder bei den grundsätzlichen Glaubensfragen.
Zwar wäre die Welt eindeutig weniger gewalttätig und dadurch ein besserer Ort, wenn alle wie Waite handelten, nur ist die Realität die, dass die Menschen Waites gewaltlose Position regelmäßig hinter sich lassen und Unschuldige mit Ungerechtigkeit und Leiden überziehen. Der
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