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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marlantes
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Krieger geht dazwischen und überredet sie, ihr schädigendes Verhalten zu beenden, indem er ihnen droht oder tatsächlich Schmerz und Tod bringt.
    Bei alldem ist das Diktum des Kriegers auf eine seltsame Weise von Waites Diktum abhängig. Um sich an das Diktum des Kriegers zu halten, handelt der ethische Krieger nur, wenn andere
vor
ihm Gewalt ausüben. Das heißt, jemand muss Waites Position bereits verlassen haben – die philosophische Notwendigkeit für die ethische Anwendung der Macht des Kriegers. Das zu akzeptieren bedeutet, dass eine moralische Nation ihre Kriegsmacht nur defensiv aktiviert, weil Präventivschläge unmoralisch sind.
    Ein Präventivschlag lässt sich genauso wenig rückgängig machen wie eine vollzogene Todesstrafe, und die getroffene Nation könnte unschuldig sein. Überlegen Sie nur, wie sehr die Vereinigten Staaten mit ihren Geheimdienstinformationen danebenlagen, oder mit den Schlüssen, die sie aus den ihnen vorliegenden Informationen zogen, als es 2003 zum Irakkrieg kam. Der Irak sollte Massenvernichtungswaffen haben, die er gegen die USA einsetzen wollte. Die Vereinigten Staaten täuschten sich. Allein mit dieser Rechtfertigung befanden sie sich in der gleichen Position wie der Mob, der einen unschuldigen Mann hängt. Es gab andere ethische Rechtfertigungen, die man hätte heranziehen sollen und die längst bewiesen waren: Im Irak folterte und tötete ein brutaler Diktator sein eigenes Volk, das nichts dagegen tun konnte. Die Vereinten Nationen hätten das stoppen müssen, taten es aber nicht. Die Vereinigten Staaten, England und die anderen Staaten der Koalition haben es übernommen. Unglücklicherweise haben sie anschließend schwere Fehler gemacht und die Rückkehr zu einem Rechtsstaat um Jahre verzögert.
    Präventivschläge bringen auch die Krieger eines Landes in eine unhaltbare moralische Position. Es ist leicht für einen Präsidenten und mag ihm zupasskommen, Härte zu zeigen und zu sagen, wir werden ein Land bombardieren, weil er denkt, es baut eine Bombe, die uns bedroht. Er tötet die Menschen nicht selbst. Ein Pilot muss die Bomben auf die Menschen abwerfen, und wenn die Regierung des Landes tatsächlich niemals vorhatte, zu einem Schlag gegen die Vereinigten Staaten auszuholen, sind diese Menschen unschuldig. Ein Krieger kann nicht versuchsweise in einen Kampf ziehen. Unsere Antwort auf Pearl Harbor mag durch Rassismus und Ignoranz getrübt gewesen sein, Zweifel an Japans Absichten bestanden nicht. Unsere Männer sind mit allem, was sie hatten, in den Krieg gezogen. Stellen Sie sich vor, die Regierung Roosevelt hätte Patton gesagt, er dürfe die Deutschen nicht über die Loire hinaus verfolgen, aus Angst, das Vichy-Regime zu verärgern.
    Natürlich limitiert der Ausschluss von Präventivschlägen die Optionen, schränkt die strategischen Möglichkeiten ein und lässt weniger moralische Krieger frustriert aufstöhnen. Die Position des ethischen Kriegers verlangt, dass jemand Waites Diktum durchbricht, wodurch er sich immer in einer defensiven Rolle befindet. Traditionellere Krieger werden seinen Ansatz unbrauchbar nennen. Was sie damit meinen, ist, dass er sich dadurch grundsätzlich in einer verletzlichen Position befindet. Das verschafft ihm echte, praktische Probleme, die nicht kleingeredet werden können. Es geht darum, diese Einschränkung von Beginn an einzuberechnen, und nicht, sich vom Prinzip zu verabschieden.
    Wir haben unsere strategischen Erstschlagsoptionen in der Vergangenheit des Öfteren ohne ernsthaften Schaden begrenzt. Vielfach haben wir dadurch Schaden vermieden, den wir nicht nur unschuldigen Menschen, sondern auch uns zugefügt hätten. Nehmen Sie nur die stillschweigende Übereinkunft der kriegführenden Parteien im Zweiten Weltkrieg, kein Giftgas zu verwenden. Nehmen Sie die stillschweigende Übereinkunft zwischen der Sowjetunion und der NATO , keinen nuklearen Erstschlag zu führen, wenn das auch über Jahre keiner der Beteiligten öffentlich erklärt hat. Das Gleichgewicht des Schreckens war so gesehen nicht nur eine praktische Strategie (die den Nuklearkrieg verhinderte), sondern auch eine moralische. Das Problem besteht allerdings darin, dass eine solche gegenseitige Abschreckungsstrategie nur zwischen Gegnern funktioniert, die mehr oder weniger das gleiche Wertesystem haben. Mit Terroristen, Selbstmordattentätern und selbstmörderischen Regierungen funktioniert das nicht, sie bewerten ganz offensichtlich einige Dinge höher als ihr Leben. Was

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