Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund
extrem dickschädelig zerrt, zerre ich zurück. Mit einem nüchternen »Und…… hopp!«, das er zur Genüge kennt. Weil Lupo ein Brustgeschirr trägt, funktioniert das gut. Er trottet zwar missmutig mit mir, aber immerhin trottet er in Richtung Postamt. Spaß macht das keinem von uns. Trotzdem ist es immer wieder dasselbe Spiel: Je eiliger ich es habe, desto heftiger hängt er sich ins Geschirr. Warum kann er den kurzen Abstecher nicht einfach freudig genießen? Nix da.
So könnte das Gassigehen ruhig immer sein: spannende Umgebung und vor allem keine Hektik.
Spüren Hunde, wie viel Zeit wir gerade für Sie haben?
Wenn wir nachmittags oder am frühen Abend Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang haben, ist Lupo wie ausgewechselt.
Gut, er sprintet auch dann gerne mal im fünften Gang los, sobald wir aus der Haustür kommen. Aber er lässt sich ohne Probleme auf Jogginggeschwindigkeit herunterbremsen. Und wenn wir zurückkommen, ist er ein Vorzeigehund vom Feinsten. Läuft problemlos bei Fuß, reagiert auf die leisesten Befehle, schaut ständig, wo ich bin. Kann es sein, dass ein Hund genau spürt, wie viel Zeit man gerade für ihn hat? Oder wie erklären sich die zwei »Ausgeh-Seelen« in Lupos breiter Brust?
Je entspannter die Situation beim Spazierengehen ist, desto ausgeglichener sind die Hunde.
GÜNTHER BLOCH: Diese Probleme kennen sicher viele Hundehalter: Bin ich in Eile, ist es mein Hund auch. Bin ich genervt, nervt er auch. Dabei spielt zum einen natürlich die Stimmungsübertragung eine Rolle. Oft ist so ein morgendlicher Spießrutenlauf aber auch eine rein konditionierte Verhaltensabfolge. Und nicht zuletzt zeigt sich deutlich die gegensätzliche Erwartungshaltung seitens Mensch und Hund.
Hunde riechen Stress
Wenn wir morgens schon hektisch und gestresst aufbrechen, dünsten wir als Porenatmer gewisse Gerüche aus. Wir selbst bekommen davon in der Regel gar nichts mit.
Doch für ein »Nasentier« wie den Hund beinhalten diese Ausdünstungen präzise Informationen in Bezug auf die situative Stimmungslage. Es ist ja nicht so, dass der Hund uns bewusst ärgern will. Er ist vielmehr aufgrund der olfaktorischen Signale schon total erregt, angespannt oder regelrecht nervös, wenn er das Haus verlässt.
Keine Spur von ausgeglichener Gestimmtheit, die Grundvoraussetzung dafür wäre, entspannt in Richtung Post zu marschieren.
Zwei begeisterte Hundehalter, die gemeinsam die Seele des Hundes »erforschen«.
Eine entspannte Lage schaffen
Dass die empfohlenen »Hundeschulregeln« nicht richtig funktionieren, wundert mich übrigens nicht. Meiner Meinung nach gibt es keine pauschalen Richtlinien zur Leinenführigkeit, die auf alle Hunde dieser Welt passen würden. Einen extrovertierten, willensstarken Hund wie Lupo, der emotional schnell aufgewühlt reagiert, sollte man vor dem Losgehen ganz gezielt »herunterfahren«.
Konkret bedeutet dies, dass das Tier vor dem Ausführen noch im Haus so lange in einer Platzposition verharren muss, bis es keinerlei Anspannung mehr zeigt; erst dann ist es mental ausgeglichen. Und erst dann befindet man sich auch selbst in einer ausgeglichenen Stimmungslage: Jetzt kann der eigentliche Spaziergang in Angriff genommen werden. Sicher, bis dieser Moment erreicht ist, können durchaus einige Minuten vergehen. Aber so viel Zeit muss sein. Mein Timber ist auch so ein extrovertierter Typ, eben ein echter Spring-ins-Feld. Umso wichtiger ist es für ihn, dass ich die notwendige Ruhe und Ausgeglichenheit vermittle.
Dabei hilft mir die genannte Übung. Wir dürfen einfach nicht vergessen, dass derjenige, der seinen Führungsanspruch durchsetzen will, mit gutem Beispiel vorangehen muss.
Meistens sind wir »Leittiere« ohnehin häufiger gestresst als unsere Hunde. Schließlich haben wir als Gruppenleiter unter anderem auch die manchmal nervige Verpflichtung, Gefahren zu erkennen und gegebenenfalls abzuwehren. Nur wenn wir diese Aufgabe erfüllen, stuft uns der Hund als vertrauensvoll und verlässlich ein. Bei Wölfen ist das nicht anders. Insofern stehen zum Beispiel Wolfseltern eher »unter Strom« als andere Familienmitglieder. Im Unterschied zu uns Menschen bedienen sich Wolfseltern jedoch eines weit schweifenden Blicks und sind so frühzeitig genau darüber im Bilde, was um sie herum so alles passiert. Selten überrascht sie etwas unvorbereitet. Und das reduziert wiederum den Stress.
Alles im Blick: Ihr Hund erkennt rasch die Stimmung und reagiert entsprechend.
Vorauschauend
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