Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund
Wurzeln auch in der gefühlsmäßigen Ähnlichkeit zwischen Mensch und Hund haben mag, führt zu zahlreichen Missverständnissen.
Doch bei so viel falscher Tierliebe können sich Hunde emotional einfach nur miserabel fühlen. Dabei sind diese liebenswerten Geschöpfe hochkomplexe Lebewesen, die es nicht verdient haben, nur so zu funktionieren, wie der Mensch sich das vorstellt. Der amerikanische Ethologe Marc Bekoff forderte schon vor Jahren, dass die Zeit reif sei für eine tiefsinnige und nachdenkliche Verhaltensforschung, damit der Mensch endlich versteht, welche moralische und ethische Verpflichtung er dem Hund gegenüber hat.
DEM MENSCH MANGELT ES AN NATURBEWUSSTSEIN
Es lässt sich leider nicht leugnen, dass sich der »moderne« Mensch mehr und mehr von der Natur entfremdet. Viele von uns können heute zwar ganz genau die neuesten Computerspiele erklären, haben aber enorme Schwierigkeiten, eine Tanne von einer Fichte zu unterscheiden oder den Vogel zu bestimmen, der tagtäglich im Baum vor dem Fenster zwitschert.
Doch wenn das Wissen über und das Gespür für die Natur fehlt, wie will man da arttypisches Hundeverhalten entschlüsseln?
Dabei müssen Hunde mit Artgenossen herumtoben, sich viel im Freien aufhalten, Interessantes beschnüffeln, springen, rennen und die Umwelt erkunden dürfen.
Ein Hund, dem man diese biologischen Selbstverständlichkeiten täglich gestattet, liegt abends friedlich auf seinem Platz und schläft den Schlaf der Gerechten.
Meiner Erfahrung nach fällt ein Hund, dessen Besitzer viel in der freien Natur unterwegs ist, diese respektiert und dabei noch auf Mitmenschen und Öffentlichkeit Rücksicht nimmt, in den seltensten Fällen unangenehm auf. Unsere eigenen Hunde brauchen für ihre Ausgeglichenheit weder einen Sportverein noch ständige Beschäftigungsprogramme. Wir unternehmen mit ihnen mehrmals täglich ausgedehnte Spaziergänge (nicht nur »Pinkelrunden«), treffen Menschen und andere Hunde – und siehe da: Abends herrscht Ruhe.
HUNDE KOMMUNIZIEREN ANDERS
Immer wieder liest, hört oder sieht man Berichte über »Problemhunde«, die eher zu allgemeiner Verunsicherung als zur sachlichen Aufklärung beitragen. Der »Haushund«, den es aufgrund der Rassenvielfalt überhaupt nicht gibt, soll sich der Norm entsprechend verhalten und immer nett und freundlich sein. Tut er das nicht, muss er zur Verhaltensprüfung. Dabei vergessen viele Menschen allzu schnell, dass sämtliche aggressiv untermalten Lautäußerungen eines Hundes aus verhaltensbiologischer Sicht ein ganz normaler Bestandteil seines Sozialverhaltens sind. Damit es zwischen Mensch und Hund möglichst nicht zu Schwierigkeiten kommt, muss sich jeder Mensch näher mit den artspezifischen Kommunikationsausdrücken von Hunden beschäftigen. Er muss also, wenn man es so will, erst einmal »Hündisch« lernen. Zumindest jeder Hundehalter sollte mit den Grundregeln der aggressiven hundlichen Kommunikation vertraut sein und sie als das einstufen, was sie ist: normal! Die Ethologin Dorit Feddersen-Petersen hat das wunderbar auf den Punkt gebracht: »Ein Hund, der knurrt, ist nicht aggressiv. Er kommuniziert.« Doch ganz offensichtlich haben hündische Unmutsbekundungen keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft.
Hinzuzufügen wäre noch: Viele Hunde, die zum Beispiel beim »Wesenstest« festgebunden werden und daher keine Möglichkeit zur Flucht haben, verteidigen sich, um ihre körperliche Unversehrtheit aufrechtzuerhalten. Das bedeutet noch lange nicht, dass sie verhaltensgestört sind oder eine generelle Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Im Gegenteil: Hunde, die, wie es ihrer Art entspricht, gelegentlich aggressiv kommunizieren, kann man erheblich besser einschätzen.
HUNDE SIND KEINE HILFLOSEN WESEN
Allzu oft werden Hunde wie kleine Kinder behandelt. Man meint es zwar gut, handelt aber trotzdem falsch, weil emotional unkontrolliert. Hunde sind weder völlig hilflos, noch bedürfen sie permanent der Hilfe des Menschen. Sie haben das Recht, Erfolgs- und Misserfolgserlebnisse selbstständig verarbeiten zu lernen. Wir Menschen neigen vor lauter Sorge um den vierbeinigen Hausgenossen häufig dazu, seine Hilflosigkeit geradewegs zu fördern und ihn zu ewiger Abhängigkeit zu erziehen. So mancher Hund wird wissentlich oder unwissentlich an die »emotionale Kette« gelegt, vor allem dann, wenn das Fürsorgeverhalten bizarre Formen annimmt. Hunden, die ihrem Sozialpartner selbst im Haus auf Schritt und Tritt
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