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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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war, um dem unseligen Einfluß ihres Großvaters zu entfliehen und irgendwo aus eigener Kraft ein neues Leben aufzubauen.
    Markesch hätte es gern geglaubt, aber der Optimismus des guten Doktors kam ihm wie eine besonders kühne Version des positiven Denkens vor. Schließlich hatten Arupa und Fredy Boruschka ein weitaus negativeres Bild ihrer psychischen Verfassung gezeichnet.
    Andererseits war Boruschka so vertrauenswürdig wie ein Aprilscherz, und was Arupa betraf, so hatte Markesch noch immer nicht vergessen, daß er bei ihrer ersten Begegnung fluchtartig die Diskothek Karma verlassen hatte. Vielleicht hatte er ihn ja wirklich für den gewalttätigen Fredy gehalten, doch dann mußte er nicht nur kurzsichtig, sondern so gut wie blind sein.
    Ich sollte diesem Arupa noch einmal einen Besuch abstatten, sagte sich Markesch. Ihm noch einmal auf den Zahn fühlen und diesmal den Bohrer ansetzen. Möglicherweise fallen ihm dann Dinge ein, die er bisher verschwiegen hatte, etwa Angelikas neue Adresse.
    Aber sicher war er nicht.
    Die Tür ging auf und neue Gäste kamen herein, flotte Yuppies in leichentuchweißen Baumwollanzügen, die locker-leichte American-Express-Generation, die die Frage nach dem Sinn des Lebens für eine Erfindung von Trivial Pursuit hielt, Freiheit mit Porsche übersetzte und zum Beten in die Deutsche Bank ging. Nur eins sprach zu ihren Gunsten – ihnen konnte das Geld den Charakter nicht verderben, da sie so etwas wie Charakter nicht einmal vom Hörensagen kannten.
    Markesch kippte den Scotch hinunter und entschloß sich zum Gehen.
    In dieser Nacht würden Archimedes und einige seiner griechischen Bodybuilderfreunde die Bewachung des Cafés übernehmen. Es gab also keinen Grund für ihn, länger im Regenbogen auszuharren und mitanzusehen, wie Paule Porsche und Mannie Mercedes im Champagnerkübel versumpften und vor den Bafög-Studentinnen mit ihren Banknotensammlungen protzten.
    Er winkte Archimedes zu und wankte nach draußen, atmete tief die frostige Nachtluft ein, bis er nicht mehr wußte, ob ihn das Übermaß an Sauerstoff oder der exzessive Scotchgenuß benebelten, und schlurfte langsam nach Hause.
    Wie schon so oft dankte er der Vorsehung dafür, daß er nur fünfzig Meter vom Café entfernt wohnte. In seinem Zustand hätte er jede weiter gelegene Wohnung nur mit dem Auto erreichen können, und bei der desolaten Kölner Parkplatzsituation wäre ihm eine stundenlange Geisterfahrt durch die nächtlichen Straßen kaum erspart geblieben.
    An der Haustür angekommen, suchte er in seinen Taschen nach dem Schlüsselbund, das übliche Ritual, mit dem sich schlecht organisierte Menschen die überflüssige Zeit vertreiben, doch als er den Schlüssel gefunden hatte und ihn ins Schloß stecken wollte, hörte er dieses Geräusch …
    Kein lautes Geräusch.
    Ein metallisches Klicken wie von zwei Münzen, die gegeneinanderstießen. Oder wie vom Sicherungshebel einer Pistole, der umgelegt wurde. Und noch während er darüber nachdachte, ob der harte Druck, den er plötzlich in seinem Rücken spürte, ein Produkt seiner Fantasie war oder doch von einer entsicherten Pistole stammte, die ihm irgendein Hurensohn in die Nieren bohrte, spürte er auch schon die warmen, gepreßten Atemzüge eines nervösen Menschen in seinem Nacken. Die Kombination aus schußbereiter Waffe und nervösem Zeigefinger war nicht dazu angetan, ihm Vertrauen einzuflößen, und erinnerte ihn daran, wie kostbar und zerbrechlich das Leben doch war.
    »Ruhe, Freund«, flüsterte ihm eine Stimme mit leichtem italienischen Akzent ins Ohr. »Nur ruhig, Freund.«
    Ruhe.
    Der Kerl mußte ein Witzbold sein. Glaubte er im Ernst, daß eine entsicherte Pistole auf irgend jemand beruhigend wirken konnte? Und wie kam der Bastard dazu, ihn Freund zu nennen? Wenn er Freundschaft suchte, dann sollte er nicht mitten in der Nacht mit einer Knarre durch die Gegend schleichen und harmlose Trinker vor der Haustür überfallen.
    Kurz dachte Markesch daran, die Sache mit dem Pistolero auszudiskutieren, aber er war zu müde und zu benommen, als daß er hoffen konnte, sich aus dieser Notlage herauszureden.
    »Umdrehen«, befahl der Pistolero. »Langsam. Keinen Fehler machen, verstanden?«
    Markesch gehorchte. Er hatte noch nie großes Interesse gehabt, irgendeinen Fehler zu machen, und jetzt schon gar nicht. Wie gewünscht, drehte er sich so langsam um, als hätte der große Regisseur im Himmel diese Szene seines Lebensfilms in Zeitlupe gedreht, und hoffte vage,

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