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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Tür auf.
    »Aber natürlich! Kommen Sie rein. Warum haben Sie nicht gleich gesagt, daß Sie wegen Angelika kommen?«
    Markesch trat ein. Der Flur war ein kurzer, schmaler Schlauch, vollgestopft mit leeren Bierkästen, Plastiktaschen voller Leergut, schmutziger Wäsche und einem halb demontierten Moped. Es roch nach Altöl und abgestandenem Bier.
    »Fredy?« drang eine keifende Stimme durch die angelehnte Wohnzimmertür. »Wä es dat? Wann dat widder dä widderliche Katschmarek es un versök, dat Jeld för …«
    »Halt’s Maul, du Schlampe«, brüllte Boruschka. »Kümmer dich um deinen eigenen Dreck, oder ich hau dir gleich auf’s Maul, kapiert?«
    Sie hatte kapiert und gab Ruhe.
    Boruschka grinste, führte Markesch in die Küche, in der es aussah, als wäre in ihr seit dem Erstbezug weder geputzt noch gespült worden, und schloß hinter sich die Tür.
    »Weiber«, sagte er verächtlich. »Die reinsten Nervensägen. Wollen überall dabeisein und machen nur Ärger. Wenn ich der nicht jeden Morgen eins auf die Nase geben würde, wäre es gar nicht mehr zum Aushalten.« Er setzte die Bierflasche an die Lippen, trank sie gurgelnd leer und schmatzte. »Okay, schieben Sie den Hunderter rüber, und wir können uns über meine Halbschwester unterhalten.«
    »Nur keine übertriebene Hast«, sagte Markesch und schloß die Faust um den Geldschein. »Sie wissen doch, daß man sich Geld erst verdienen muß.«
    »Ach ja?« Es klang ehrlich erstaunt. »Aber ohne Vorschuß ist bei mir nichts drin, kapiert?«
    Widerstrebend griff Markesch in die Tasche und drückte ihm einen Fünfziger in die gierige Hand. »Also, wann haben Sie Angelika Hilling zuletzt gesehen?«
    Boruschka tapste zum Kühlschrank, fischte eine neue Flasche Bier heraus und öffnete sie mit den Zähnen. Er spuckte den Korken zielsicher in den überquellenden Abfalleimer und belauerte Markesch aus den Augenwinkeln, wie ein besonders feiges Tier, daß nur anzugreifen wagte, wenn die Beute ihm den Rücken zudrehte.
    »Was heißt zuletzt gesehen? Ich hab’ sie nur einmal gesehen, vor etwa drei Monaten. Ich hab’ nicht mal gewußt, daß ich ’ne Halbschwester hab’, bis sie bei mir reingeschneit ist, voll wie tausend Mann und so fertig, daß ich dachte: Vorsicht, Fredy, die hüpft dir gleich vom Balkon. War kein schöner Anblick, wirklich nicht. Ging mir richtig an die Nieren. Außerdem drehte meine Alte durch, weil sie dachte, das wäre ’ne Tussi von mir, mit der ich nebenbei was laufen hätte. Stimmte natürlich nicht, aber versuchen Sie den Weibern mal was zu erklären, wenn die richtig auf Touren sind. Ich mußte ihr ein paar hinter die Löffel geben, damit sie …«
    »Klingt richtig faszinierend«, unterbrach Markesch, »aber bleiben wir bei Ihrer Halbschwester. Sie sagten, Sie haben vorher nichts von ihr gewußt?«
    »Wir haben denselben Vater, das ist alles. Er hatte mal was mit meiner Mutter, hat mich angesetzt und sich dann aus dem Staub gemacht. Ein reiches Bürschchen, das nur mal eine Nacht seinen Spaß haben wollte.« Boruschka spuckte ins Spülbecken. »Ich hab’ ihn nie gekannt. Hab’ auch erst vor ein paar Jahren seinen Namen erfahren – als er bei diesem Autounfall hopsgegangen ist. Meine Mutter hat mir die Zeitung mit der Todesanzeige vor die Nase gehalten und gesagt, schau, Sohnemann, das ist der Mistkerl, der deinem Mütterchen goldene Berge versprochen und sich dann verdünnisiert hat. Ich schätze, sie hat ihn noch immer gehaßt. Kurz darauf ist sie auch gestorben. Ich kann’s ihr nicht verdenken. War ein schweres Leben für sie.«
    »Aber woher wußte Angelika dann von Ihnen?«
    »Keine blasse Ahnung. Vielleicht aus der Familienchronik. Mein sauberer Herr Erzeuger hat schließlich jahrelang Alimente zahlen müssen.« Boruschka schwenkte die Bierflasche. »Na, wehgetan hat’s ihm nicht. Soll ja anständig Kohle haben, die Familie.«
    »Was wollte Angelika von Ihnen?«
    »Na, sich bei ihrem Bruderherz einnisten. Ich glaube, sie hatte Ärger mit ihrem Opa, bei dem sie wohnte. Nach dem, was sie erzählt hat, muß das ein mieser alter Knochen sein. Hat sie richtig tyrannisiert. Wie ’ne Sklavin behandelt, und die Kleine hat sich das jahrelang gefallen lassen, bis sie irgendwann nicht mehr konnte. Sie war völlig fertig, als sie hier aufkreuzte.«
    »Wie lange ist sie geblieben?«
    »Zwei Tage, dann mußte ich sie rauswerfen wegen meiner Alten.« Er grinste anzüglich. »Sie hat die Sache mit der Halbschwester wohl nicht so ganz geglaubt.

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