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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Ich kann’s verstehen. Kommt mir selbst ziemlich komisch vor, aber so ist das Leben, stimmt’s? Na ja, jedenfalls hat mir meine Alte solchen Terror gemacht, daß ich die Kleine rauswerfen mußte, schon in ihrem eigenen Interesse.«
    Er trank einen Schluck Bier.
    »Aber auch ohne meine Alte hätte ich’s mit dem Schwesterlein nicht lange ausgehalten. Sie war richtig am Spinnen. Redete dauernd von Erleuchtung und Karma und so. Hatte auch ein Bild von ihrem Guru um den Hals hängen. Als sie mich dann auch noch bekehren wollte, ist mir der Kragen geplatzt. Ich meine, erst der Streß mit meiner Alten und dann noch so was … Sie ist dann ja auch ab zu ihrem Guru.«
    »Und danach haben Sie sie nicht wiedergesehen?«
    Boruschka schüttelte den Kopf. »He, finden Sie nicht auch, daß Sie endlich den Blauen rüberschieben sollten?«
    Markesch knisterte ermunternd mit dem Geldschein. »Nur Geduld, dann ist die Freude später um so größer … Warum haben Sie eigentlich später nach ihr gesucht?«
    »Weiß ich auch nicht genau. Ich glaube, aus ’ner Art Familiensinn heraus. Blutsbande, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich hab’ mir Sorgen um sie gemacht. So fertig wie die war, hätte die sich Gottweißwas antun können.«
    »Das ist ja richtig herzergreifend. Und Ihre Sorge um Ihre Halbschwester, die Sie nur ein einziges Mal in Ihrem Leben gesehen haben, war so groß, daß Sie Bikshu Arupa zusammenschlagen mußten?«
    »Bikshu wer?« Boruschka zwinkerte verwirrt. »Ach so, Sie meinen dieses Arschloch aus dem Löwenzahn. Was heißt hier zusammengeschlagen? Ich hab’ ihn nur leicht angetippt, weil er mir dumm kam. Hat sich wie ’n Ballon aufgeblasen, wußte angeblich von nichts und den Rest wollte er mir sowieso nicht sagen.« Er lachte hämisch. »Tscha, da hab’ ich einfach die Luft aus dem Ballon gelassen. Aber weitergeholfen hat’s auch nichts. Er blieb dabei, daß er keine Ahnung hätte, wo Angelika ist.«
    Markesch rieb sich das Kinn. »Und? Glauben Sie ihm?«
    »Klar.« Boruschka lachte wieder. »Wenn ich mir jemand richtig zur Brust nehme, der lügt nicht mehr – oder er muß schon ein Selbstmörder sein.« Er streckte fordernd die Hand aus. »Und jetzt her mit der Kohle.«
    Widerwillig drückte ihm Markesch den Hundertmarkschein in die Hand.
    »Heißen Dank, Alter. Mit Ihnen zu reden, ist wirklich ein Vergnügen. Schade, daß ich Ihnen nicht noch mehr helfen kann.«
    »Hat Ihre Schwester vielleicht jemand erwähnt, bei dem sie untergekommen sein könnte? Jemand, der nicht zu den Sanyiten gehört?«
    »Eigentlich müßten Sie für die Antwort ’nen Extraschein drauflegen …«
    »Wenn die Antwort was wert ist …«
    »Fehlanzeige. Ich weiß wirklich nicht mehr. Ich verstehe auch gar nicht, warum ihr Opa so scharf drauf ist, sie zurückzuholen.« Er maß Markesch mit einem lauernden Blick. »Ich meine, das kostet doch jede Menge Kohle, oder? Sie arbeiten doch nicht aus reiner Menschenliebe für den Alten?«
    »Angelikas Großvater ist todkrank«, erklärte Markesch, vage hoffend, daß diese tragische Neuigkeit Boruschkas Zunge lösen würde, falls er irgendwelche Informationen zurückhielt. »Er wird in ein oder zwei Monaten sterben und möchte seine Enkelin vorher noch einmal sehen.«
    »Tragisch, tragisch …« Aber es klang nicht besonders mitfühlend.
    »Jedenfalls«, sagte Markesch und reichte ihm seine Visitenkarte mit dem aufgedruckten Regenbogen, »falls Sie etwas von Angelika Hilling hören, rufen Sie mich an. Natürlich werden nützliche Informationen belohnt.«
    »Sie können sich auf mich verlassen«, versicherte Boruschka. »Ehrlich. Das arme Ding. Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen. Ich meine, das wäre doch wirklich schade. Erstens sowieso und zweitens wegen der Belohnung.«
    Markesch schob sich an ihm vorbei und öffnete die Küchentür. »Ich wußte doch, daß Sie ein Mann mit Herz sind.«
    Boruschka lachte.
    »Fredy?« drang wieder die keifende Stimme aus dem Wohnzimmer. »Es dä widderliche Katschmarek afjehaue, Fredy? Wat es passiert? Wat hat dä denn jesat? Fredy? Fredy!«
    »Halt endlich dein verdammtes Maul, du Schlampe!« brüllte Boruschka.
    Markesch machte, daß er nach draußen kam. Das Geschrei der beiden Turteltauben begleitete ihn bis hinunter in den vierten Stock und wurde dann vom Heulen des Sturms überlagert.
    Nachdenklich rieb er sich das Kinn.
    Vielleicht irrte er sich; vielleicht tat er Fredy Boruschka unrecht. Aber wenn der gute Fredy wirklich aus purer Bruderliebe

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