Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
Gewicht. Ich spürte seine Wärme, als er sich zu mir herüberbeugte, mir die Haare aus dem Gesicht strich und seine Lippen auf meine Schläfe legte. Ich schloss die Augen und nahm es in mich auf. Dann ging er.
Der Regen peitschte gegen seine Fenster, als ich mich in seinen Laken vergrub und mir die Decke bis ans Kinn zog. Doch vor den Schreien meiner Sünden würde ich weder in Noahs Bett noch in seinen Armen Zuflucht finden.
51
N ebenNoah zu sitzen, als er mich am nächsten Morgen nach Hause fuhr, war die reinste Qual. Es tat weh, ihn anzusehen, mit seinen sonnengebleichten Haaren und den besorgten Augen. Ich konnte nicht mit ihm reden. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte.
Als er in unsere Einfahrt einbog, sagte ich ihm, dass ich mich nicht gut fühlen (wahr) und ihn später anrufen würde (gelogen). Dann ging ich in mein Zimmer und machte die Tür zu.
Meine Mutter fand mich am Nachmittag bei herabgelassenen Jalousien im Bett. Die Sonne drang trotzdem durch die Schlitze und warf Streifen auf die Wände, die Decke und mein Gesicht.
»Bist du krank, Mara?«
»Ja.«
»Was stimmt nicht mit dir?«
»Alles.«
Sie machte die Tür zu und ich zog die Decke noch etwas enger um mich. Ich hatte recht gehabt, irgendetwas geschah mit mir, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Meine Familie war meinetwegen hierhergezogen; sie waren umgezogen, um mir zu helfen, meinem toten Leben zu entkommen, doch die Leichen folgten mir auf Schritt und Tritt. Was war, wenn es wieder geschah und es statt Rachel und Claire Daniel und Joseph traf?
Eine kalte Träne rollte mir über die brennende Wange. Sie kitzelte mich am Nasenflügel, aber ich wischte sie nicht fort. Und auch die nächste nicht. Kurz darauf schwamm ich in den Tränen, die ich auf Rachels Beerdigung nicht geweint hatte.
Ich stand weder am nächsten noch am übernächsten Tag auf, um in die Schule zu gehen. Doch ich hatte keine Albträume mehr. Was bedauerlich war, weil ich sie verdiente.
Das Vergessen, das ich im Schlaf fand, war ein Segen. Meine Mutter brachte mir Essen, ließ mich aber ansonsten in Ruhe. Ich hörte sie im Flur mit meinem Vater reden und das, was sie miteinander besprachen, überraschte mich nicht sonderlich.
»Daniel hat gesagt, dass es ihr besser geht«, meinte mein Vater. »Ich hätte den Fall abgeben sollen. Sie isst ja nicht einmal.«
»Ich denke, sie wird schon werden. Ich habe mit Dr. Maillard gesprochen. Sie braucht einfach ein bisschen Zeit«, entgegnete meine Mutter.
»Ich verstehe das nicht. Es ging ihr doch so gut.«
»Es war klar, dass ihr Geburtstag hart für sie wird. Sie ist ein Jahr älter geworden, aber Rachel nicht. Kein Wunder, dass sie da einiges durchmacht. Wenn sich bis zu ihrem Termin am Donnerstag nichts geändert hat, können wir uns immer noch Sorgen machen.«
»Siesieht so verändert aus«, sagte mein Vater. »Was ist nur aus unserem Mädchen geworden?«
Als ich an diesem Abend ins Badezimmer ging, machte ich das Licht an und schaute in den Spiegel, um nachzusehen, ob ich das Mädchen finden konnte. Die Hülle eines Mädchens, das nicht Mara hieß, blickte mir entgegen. Wie würde ich sie wohl umbringen?, fragte ich mich.
Dann verkroch ich mich mit zitternden Beinen und klappernden Zähnen wieder im Bett, weil es beängstigend, viel zu beängstigend war und mir der Mumm fehlte.
Als Noah später am Abend in meinem Zimmer auftauchte, wusste es mein Körper, noch bevor meine Augen es bestätigen konnten. Er hatte ein Buch dabei, Das Samtkaninchen , das eines meiner Lieblingsbücher war. Trotzdem wollte ich Noah nicht dahaben. Oder besser gesagt, ich wollte nicht da sein. Allerdings hatte ich nicht die Absicht, mich von der Stelle zu rühren, also lag ich mit dem Gesicht zur Wand im Bett und Noah begann zu lesen.
»In langen Juninächten tappte es leise durch den wie mattes Silber glänzenden Farn. Weiße Nachtfalter flatterten auf. Sie hielt ihn fest in den Armen, Perlen und Tautropfen und Blumen um den Hals und im Haar«, las er.
»›Was heißt eigentlich echt ?‹, fragte der Junge. ›Es ist etwas, das mit dir passiert. Wenn dich ein Mädchen eine lange, lange Zeit liebt – wenn es nicht nur mit dir spielen will‹«, sagte Noah, »›sondern wenn es dich wirklich liebt.‹ ›Tut das weh?‹, fragte der Junge.
›Manchmal.Aber wenn man echt ist, macht einem der Schmerz nichts aus.‹ Sie schlief mit ihm, im Schein des Nachtlichts auf dem Kamin. Liebe keimte auf.«
Hmm.
»Sie wiegten sich«,
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