Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
Na toll. Jetzt hatte ich ihn in Verlegenheit gebracht. »Schon gut. Ich bin okay. Ich weiß selbst nicht, warum ich dir das gerade erzählt habe.«
Jamie trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.
»Alles klar«, sagte er und lächelte dann. »Also, wann wollen wir für Algebra lernen?«
Ein willkürlicher Taktwechsel und ein lächerlicher dazu. Jamie konnte unmöglich davon profitieren, mit mir zusammen zu lernen.
»Dir ist doch klar, dass es um meine mathematischen Kompetenzen noch schlimmer steht als um meine sozialen?«
»Unmöglich.« Jamie verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen.
»Danke. Aber im Ernst, du hast doch sicher Besseres zu tun, als dein Leben an hoffnungslose Fälle zu verschwenden?«
»Ich habe schon Parselmund gelernt. Was kommt sonst noch infrage?«
»Elbisch.«
»Du bist ein echt schräger Vogel, Mara. Das gefällt mir. Wir treffen uns in der Mittagspause bei den Picknicktischen. Vergiss deinen Grips nicht und bring etwas mit, mit dem wir deine kleinen grauen Zellen füttern können. Übrigens steht bei dir was offen«, rief er über die Schulter.
»Wie bitte?«
Miteinem Grinsen deutete Jamie auf meine Umhängetasche und schlenderte dann zu seinem nächsten Unterrichtsraum. Ich machte meine Tasche zu.
Als ich ihn zur verabredeten Zeit mit dem Algebrabuch in der Hand wiedertraf, war er strahlender Laune und mehr als bereit, Zeuge meiner Begriffsstutzigkeit zu werden. Er holte Mathebuch und Heft heraus, doch sobald ich die Zahlen auf dem glänzenden Papier sah, verstand ich nur noch Bahnhof. Ich musste mich zwingen, Jamie zuzuhören, während er die Gleichung hinschrieb und langsam erklärte. Wenige Minuten später war es, als hätte sich ein Schalter umgelegt, und die Zahlen ergaben plötzlich einen Sinn. Wir gingen Aufgabe für Aufgabe durch, bis wir sämtliche Wochenaufgaben erledigt hatten. Eine halbe Stunde für etwas, das mich normalerweise zwei Stunden gekostet und mir trotzdem eine Sechs eingebracht hätte, und meine Arbeit war getan.
Ich stieß einen leisen Pfiff aus. »Mann. Du bist echt gut.«
»Das bist du, Mara.«
Ich schüttelte den Kopf, während er nickte.
»Von mir aus«, lenkte ich ein. »Auf jeden Fall danke.«
Er machte eine übertriebene Verbeugung, dann brachen wir zum Spanischunterricht auf. Auf dem Weg dorthin machten wir bedeutungslosen Smalltalk und vermieden es, über tote Menschen zu sprechen. Als wir ins Klassenzimmer kamen, schleppte sich Morales von ihrem Tisch zur Tafel und schrieb eine Reihe Verben an, die wir konjugieren sollten. Sie warf mit Kreide nach mir, woraufhin meine beim Arbeiten in der Mittagspause erworbene gute Laune in tausend Stücke zerstob.
AmEnde der Stunde bot Jamie an, mir auch bei Spanisch zu helfen, und ich sagte Ja.
Nach Schulschluss stopfte ich mein jetzt überflüssig gewordenes Mathebuch in mein Schließfach. Ich musste mich dringend wieder einmal meinem Skizzenbuch widmen, ohne Noah oder sonst jemanden zu zeichnen. Ich schob meine Bücher auf die eine Seite des Schließfaches und wühlte in den Dingen, die sich im Laufe einer Woche angesammelt hatten, doch ich konnte den Skizzenblock nicht finden. Ich durchsuchte meine Schultasche, aber da war er auch nicht. Irritiert ließ ich meine Tasche zu Boden fallen, um besser sehen zu können. Sie rutschte über die unterste Fachreihe und riss auf dem Weg nach unten einen der pinkfarbenen Flyer ab, die an den Metalltüren klebten. Immer noch nichts. Während sich in meinem Bauch nackte, eisige Angst breitmachte, nahm ich ein Buch nach dem anderen aus dem Fach. Schneller und immer schneller riss ich meine Sachen heraus und ließ sie zu Boden fallen, bis ich in ein gähnend leeres Schließfach blickte.
Mein Skizzenbuch war verschwunden.
Ich war kurz davor zu heulen, doch in diesem Moment kamen ein paar Schüler in die Schließfachecke. Benommen legte ich die Bücher wieder zurück und riss den Flyer ab, der jetzt auf dem Umschlag meines Algebrabuches klebte. Die Lehrkräfte hatten morgen ihren Fortbildungstag und wir somit unterrichtsfrei, deshalb gab jemand aus der Croyden-Schickeria eine Kostümparty in South Beach. Ich machte mir nicht die Mühe, die restlichen Informationen zu lesen, ehe ich das Blatt fallen ließ. Das war nicht meine Szene.
Nichts von all dem war meine Szene. Weder Florida mit seinen Heerscharen braun gebrannter Blondinen und Stechmücken. Noch die Croyden Academy und ihre erschreckend uniforme Schülerschaft. Ich hatte in Jamie einen Freund
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