Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
gefunden, aber ich vermisste Rachel. Und sie war ein für alle Mal fort.
Scheiß drauf. Ich riss einen Flyer vom nächsten Schließfach und stopfte ihn in meine Tasche. Ich hatte eine Party bitter nötig. Dann trabte ich zum hinteren Ausgang, um Daniel zu treffen. Er sah ungewohnt cool aus in seiner Croyden-Uniform und glücklich – bis er mich entdeckte. Sofort legte sich ein Schleier brüderlicher Sorge über sein Gesicht.
»Du siehst sehr bedrückt aus heute Nachmittag«, stellte er fest.
Ich stieg in den Wagen. »Ich habe mein Skizzenbuch verloren.«
»Oh«, sagte er. Und gleich darauf: »War irgendwas Wichtiges drin?«
Abgesehen von mehreren detaillierten Zeichnungen der mit Abstand schönsten Person in der Schule? Eigentlich nicht.
Ich wechselte das Thema. »Was hat dich denn so glücklich gemacht, bevor ich dir die Stimmung vermiest habe?«
»Hab ich glücklich ausgesehen? Daran kann ich mich gar nicht erinnern«, sagte er. Er wich mir aus. Und er fuhr zu schnell. Ich warf einen Blick auf den Tacho. Über achtzig, noch bevor wir auf dem Highway waren. Gefährlicher Fahrstil bei Daniel. Sehr verdächtig.
»Du hast glücklich ausgesehen«, sagte ich zu ihm. »Spuck es aus.«
»Ichgehe heute Abend auf die Party.«
Ich musste zweimal zu ihm hinüberschauen. Szene war das definitiv auch nicht. »Mit wem gehst du hin?« Daniels
Er zuckte die Achseln und wurde rot. Unglaublich. Sollte mein Bruder etwa … verliebt sein?
»Mit wem?!«, verlangte ich Auskunft.
»Mit Sophie, der Geigenspielerin.« Ich starrte ihn mit offenem Mund an.
»Es ist keine richtige Verabredung«, fügte er sofort hinzu.
»Wir treffen uns nur dort.«
Als wir den Highway verließen, keimte eine Idee in mir auf. »Was dagegen, wenn ich mitkomme?«, fragte ich ihn. Jetzt war es an Daniel, mich zweimal anzuschauen. »Ich verspreche, mich auch nicht in deine amourösen Avancen einzumischen.«
»Ich hatte eigentlich schon Ja sagen wollen, aber jetzt …«
»Komm schon. Ich brauche nur eine Mitfahrgelegenheit.«
»Also gut. Und jetzt verrätst du mir, mit wem du dich triffst.«
Hm. Ich hatte nicht vor, dort irgendjemanden zu treffen. Ich wollte einfach nur tanzen, vergessen und –
»Was zum Teufel?«, flüsterte Daniel, als wir in unsere Straße einbogen.
Eine Riesenansammlung von Transportern und Menschen belagerte den Bürgersteig vor unserer Einfahrt. Daniel und ich sahen uns an, ich wusste, dass wir beide das Gleiche dachten.
Hier stimmte etwas nicht.
19
D asReportermeer teilte sich für Daniels Wagen, als dieser in die Einfahrt einbog. Sie starrten uns an wie die Affen im Zoo. Die Kameramänner schienen ihre Ausrüstung gerade einzupacken und die Satellitenschüsseln auf den Transportern waren bereits wieder eingefahren worden. Was immer sich ereignet haben mochte, sie waren auf dem Rückzug.
Sobald Daniel anhielt, schoss ich aus dem Wagen zur Eingangstür, wobei ich sowohl am Auto meiner Mutter als auch dem meines Vaters vorbeikam. Dem Wagen meines Vaters. Der um diese Uhrzeit nicht hierher gehörte.
Mir war speiübel, als ich mit Daniel auf den Fersen schließlich ins Haus platzte. Elektronisches Maschinengewehrfeuer und das Gedudel eines Videospiels schallten uns entgegen und wir sahen den vertrauten Umriss des Kopfes meines kleinen Bruders, der im Schneidersitz auf dem Boden hockte und zum Fernsehbildschirm hinaufstarrte. Ich schloss die Augen und atmete tief durch die Nase, in dem Versuch, mein Herz zu beruhigen, ehe es in meiner Brust explodierte.
Daniel war der Erste, der den Mund aufmachte. »Was zum Teufel ist hier los?«
Verärgert über die Unterbrechung wandte Joseph uns halb den Kopf zu. »Dad hat irgendeinen großen Fall angenommen.«
»Kannst du das mal ausschalten?«
»Kleinen Moment, sonst sterbe ich.« Josephs Avatar schlug einen schnurrbärtigen Bösewicht zu Klump.
Lautlos erschienen meine Eltern im Türrahmen der Küche.
»Schalt es aus, Joseph.« Meine Mutter klang erschöpft. Seufzend hielt mein Bruder das Spiel an.
»Was ist los?«, fragte Daniel.
»Einer meiner Fälle kommt bald vor Gericht«, sagte mein Vater, »und heute wurde bekannt gegeben, dass ich der neue Verteidiger des Angeklagten bin.«
Ein Ausdruck des Begreifens huschte über das Gesicht meines großen Bruders, während ich gar nichts kapierte.
»Wir sind doch gerade erst hergezogen«, sagte ich. »Ist das nicht ziemlich schnell?«
Meine Eltern wechselten einen Blick. Hier ging definitiv etwas vor, was ich nicht
Weitere Kostenlose Bücher