Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
erklärte er mir jede einzelne Speise und hielt sie mir hin, damit ich davon probieren konnte. Als ich zum Platzen voll war, brachte uns der Kellner die Rechnung und legte sie vor Noah auf den Tisch. So wie er es zuvor mit Alains Nummer gemacht hatte, zog ich die Rechnung zu mir herüber und kramte in meiner Tasche nach Bargeld.
Noah machte ein entsetztes Gesicht. »Was tust du da?«
»Ich bezahle mein Mittagessen.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Noah.
»Essen kostet Geld.«
»Sag bloß. Aber das erklärt noch nicht, warum du meinst, es bezahlen zu müssen.«
»Weil ich mein Essen selbst bezahlen kann.«
»Das sind zehn Dollar.«
»Und ob du es glaubst oder nicht, ich habe zehn Dollar.«
»Und ich die schwarze American Express.«
»Noah!«
»Übrigens hast du da etwas im Gesicht«, sagte er und zeigte auf sein eigenes Kinn.
Wie peinlich! »Wo? Hier?« Ich riss eine Serviette aus dem Spender und rieb über die Stelle, an der der anstößige Essenskrümel zu hängen schien. Noah schüttelte den Kopf und ich rieb noch einmal.
»Immer noch da«, sagte er. »Darf ich?« Er deutete auf den Serviettenspender und beugte sich über den Tisch, um mir wie einem vollgekleckerten Kleinkind den Mund abzuwischen. Furchtbar! Tödlich verlegen kniff ich die Augen zu und wartete darauf, dass mir die Serviette durchs Gesicht fuhr.
Stattdessen spürte ich seine Fingerspitzen auf der Wange.
Ichhielt die Luft an, schlug die Augen auf und schüttelte den Kopf.
»Danke«, sagte ich leise. »Ich habe wirklich keine Manieren.«
»Dann werde ich dir wohl welche beibringen müssen«, entgegnete Noah und ich merkte, dass die Rechnung verschwunden war.
Ein einziger Blick in Noahs Richtung verriet mir, dass er sie genommen hatte. Wirklich raffiniert.
Stirnrunzelnd sah ich ihn an. »Man hat mich vor dir gewarnt, weißt du.«
Mit seinem schiefen Lächeln, das mich fast um den Verstand brachte, sagte Noah: »Aber du bist trotzdem hier.«
30
E inehalbe Stunde später fuhr Noah vor dem Eingang des Kongresszentrums von Miami Beach vor und parkte den Wagen am Straßenrand. Direkt über der auf den Asphalt gemalten NO PARKING-Markierung. Ich sah ihn skeptisch an.
»Das Vorrecht des Millionärssohns«, sagte er.
Noah holte seinen Schlüsselbund aus der Tasche und steuerte auf die Eingangstür zu, als gehöre ihm das Gebäude. Himmel, wahrscheinlich war es so. Drinnen war es stockdunkel. Noah tastete nach den Lichtschaltern und knipste sie an.
Die Kunstwerke verschlugen mir den Atem.
Sie waren überall. Jede freie Fläche war bedeckt; selbst der Boden unter unseren Füßen bestand aus kunstvoll gemalten geografischen Mustern. Überall waren Installationen. Skulpturen, Fotografien, Drucke, wohin man sah.
»Mein Gott.«
»Ja?«
Ich boxte ihm gegen den Arm. »Was ist das, Noah?«
»Eine Ausstellung, die von irgendeiner Gruppe gesponsert wird, bei der meine Mutter im Vorstand sitzt«, erklärte er. »Ich glaube, sie zeigen zweitausend Künstler.«
»Und wo sind die alle?«
»DieEröffnung ist erst in fünf Tagen. Wir sind hier allein.«
Ich war sprachlos. Ich drehte mich zu Noah um und starrte ihn mit offenem Mund an. Er wirkte unglaublich zufrieden mit sich.
»Noch so ein Vorrecht«, sagte er grinsend.
Wir wanderten durch das Labyrinth der Exponate und arbeiteten uns durch den Gebäudekomplex. Es war mit nichts vergleichbar, was ich je gesehen hatte. Einige der Räume waren selbst Kunstwerke; Wände bogen sich unter verschlungenen Metallarbeiten oder waren ganz und gar mit Behängen abgedeckt.
Ich schlenderte zu einer Skulptureninstallation hinüber, einem Wald aus hohen, abstrakten Objekten. Je nach Betrachtungswinkel und dem Zusammenspiel von Kupfer und Nickel sahen sie aus wie Bäume oder Menschen, die mich überragten. Ich war sprachlos angesichts der Dimension des Ganzen, der Mühe, die es den Künstler gekostet haben musste, so etwas zu schaffen. Und Noah hatte mich hergebracht. Er hatte gewusst, dass es mir gefallen würde, und den ganzen Tag für mich arrangiert. Ich wollte zu ihm hinüberlaufen und ihm die schönste Umarmung seines Lebens schenken.
»Noah?« Meine Stimme hallte mit hohlem Echo von den Wänden wider. Er gab keine Antwort.
Ich drehte mich um. Er war nicht da. Der Freudentaumel, den ich empfunden hatte, wich einem unterschwelligen Angstgefühl. Ich ging zur entgegengesetzten Wand und suchte nach einem Ausgang, und zum ersten Mal fiel mir auf, wie müde sich meine Beine anfühlten. Ich musste
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