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Was gewesen wäre

Was gewesen wäre

Titel: Was gewesen wäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Sander
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die Sekretärin, die er seit fünfzehn Jahren kannte, saß neben ihm und hielt seine Hand. »Wird schon wieder«, sagte sie, und er sah ihre kleinen Augen hinter der dicken NanaMouskouri-Brille. Paul wollte sich aufrichten, doch es zog erbärmlich in seiner Brust, und er sackte wieder auf das Sofa zurück. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Siggi kam wieder ins Büro gelaufen. Paul mochte den untersetzten kleinen Kerl, mit dem er seit vielen Jahren zusammenarbeitete. »Na, Paul, wie sieht es aus? Besser? Hab ’nen Krankenwagen bestellt«, und bevor er antworten konnte, sagte Siggi: »Ich weiß, brauchst du nicht! Aber ich habe ihn trotzdem bestellt. Nimm es als Dienstanweisung.«
    Nach ein paar Untersuchungen wurde er auf die Invasive Kardiologie gebracht. Man wolle sich seine Herzkranzgefäße genauer ansehen. Da sah er Astrid das erste Mal. Mit einem Defibrilator. Sie erklärte dem Mann im Nachbarbett, dass sie ihn jetzt narkotisieren werde. Und dann werde er einen Elektroschock bekommen, wegen seiner Herzrhythmusstörungen. »Wir wollen sehen, was das Herz dann macht. Wir starten es praktisch neu.« Der Kerl guckte wie ein Auto. Astrid spritzte ihm das Narkosemittel und wartete einige Minuten. Dann setzte sie die Elektroden des Defibrilators auf die Brust des Ohnmächtigen, und ein gewaltiger Ruck ging durch den ganzen Mann. Wie ein Sandsack, der von einem Riesen geschlagen wurde. Paul rutschte hinter der spanischen Wand tief in seinem Bett zusammen und dachte: »Meine Herren!«
    Wenige Minuten später stand sie vor ihm. Sie trug diese Klinikuniform. Blaue Hose und ein ebenso blaues weites Shirt mit V-Ausschnitt. Gummilatschen an den Füßen. »Herr Schneider, Ihr Herz will nicht so, wie Sie wollen, und wir wollen uns mal ansehen, warum das so ist. Haben Sie schon mal so eine Herzkatheteruntersuchung gehabt?« Sie sah ihn freundlich an, aber auch so, als würde sie ihm jetzt kurz erklären, wie eine Waschmaschine funktioniert. Paul hatte bisher noch gar nichts gesagt außer »Guten Tag«. Er lag im Bett, und ihr Pferdeschwanz fiel ihm auf, der nur knapp bis zum Halsansatz reichte und bei jeder Bewegung ihres Kopfes mitwippte. Ihm fielen ihre kleinen Ohrläppchen auf, und dass sie keinen Schmuck trug, aber vielleicht war das in der Klinik ja auch verboten. »Ich werde durch Ihre Arteria femoralis reingehen, am Oberschenkel, und dann schieben wir den Katheter hoch. Das ist völlig ungefährlich. Ich sehe mir die Gefäße an, und wenn es irgendwo eine Verengung gibt, dann bekommen Sie auch gleich einen Stent gelegt. Wie alt sind Sie?«
    »Vierundvierzig«, sagte Paul und wurde das Gefühl nicht los, eine Prüfung bestehen zu müssen.
    »Raucher?«
    »Ja.«
    »Nicht gut«, sagte Astrid, deutete unbestimmt auf Paul und sagte: »Sie haben ein paar Kilo zu viel. Auch nicht gut.« Bei den letzten Worten war sie dann schon wieder aus dem Raum gegangen.
    Bald darauf lag er in einer Art Operationssaal. Astrid ließ sich von der Schwester eine sterile Schürze über die schwere Bleiweste binden und Handschuhe anziehen. Paul lag auf dem Tisch, den Blick auf einen mobilen Röntgenschirm über sich geheftet. Paul Schneider, vierundvierzig, stand dort, als gäbe es nicht mehr zu sagen. Astrid fummelte in Oberschenkelhöhe an ihm herum, und er sah den schmalen Draht über den Bildschirm ziehen und dann die Umrisse seines Herzens, das sogar er in diesem Grau in Grau erkennen konnte. Es pumpte unaufhörlich. »Ich spritze Ihnen jetzt ein Kontrastmittel. Haben Sie so was schon einmal bekommen?«
    »Nein«, sagte Paul mit trockenem Mund.
    »Na, einmal ist immer das erste Mal. Es wird Ihnen dabei ein bisschen warm werden, aber das kommt nur durch das Kontrastmittel. Das ist nicht weiter schlimm.«
    In diesem Moment fragte Paul sich, was wohl aus Sicht dieser Ärztin schlimm wäre. Ein Herzinfarkt mit gleichzeitigem Schlaganfall oder im Zentrum einer Atombombenexplosion zu stehen? Dann sah er ein schwarzes Netz auf der Oberfläche seines Herzens. Es verschwand gleich wieder und erschien im Rhythmus seines Herzschlags. Immer wenn ein neuer Blutschwall hineingepumpt wurde, waren die Gefäße zu sehen und verschwanden dann wieder kurz, um von neuem zu erscheinen. »Wenn ich nun in sie verknallt wäre, ob sie das denn sehen könnte auf ihrem Bildschirm da?«, dachte Paul, und im selben Moment sagte Astrid: »Da ist die Verengung. Können Sie das sehen? Dort an diesem Abzweig. Dadurch werden die folgenden kleinen Gefäße nicht mit

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