Was ich dir noch sagen will
erwartete, als sie den Laden verließen. Und tatsächlich fiel Erik mal wieder nichts Alberneres ein, als den Helm statt in einer Tüte oder dem Einkaufskorb direkt auf seinem Kopf zu transportieren. Dabei war ihre nächste Station ein ungefährlicher Supermarkt in der Nähe von Lisas Lieblingsbäcker. Sogar bei Herrn Griesgram glaubte Lisa ein Schmunzeln auf dem Gesicht ausmachen zu können, als Erik ausgelassen wie ein Teenager an ihm vorbei ins Geschäft tänzelte.
Das ist mal wieder typisch, dachte Lisa, immer muss Erik den Clown spielen.
Zwischen den Konservendosen und Nudelregalen tat sie so, als würde sie den verrückten Mann nicht kennen, der mit seinem hässlichen Helm scheinbar versehentlich immer wieder gegen irgendwelche Pfeiler und Regale stieß. Auch der Griff vom Einkaufswagen blieb nicht verschont. Und Lisa fragte sich, ob Erik überhaupt jemals erwachsen werden würde.
Als sie schließlich in der Schlange vor der Kasse standen, stieß sie am Ende selbst einmal mit dem Kopf auf die Halterung des Einkaufswagens, um halb amüsiert, halb resigniert zum Ausdruck zu bringen, wie gestraft sie sich doch fühlte. Denn Erik ließ es sich auch dort nicht nehmen, mit ungelenken Bewegungen lauter Süßigkeiten aufs Band zu legen, die genervte Eltern gern als Quengelware bezeichneten.
«Ich lass mich scheiden!», flüsterte Lisa ihm ins Ohr.
Doch diese leere Drohung verstärkte seinen schelmischen Gesichtsausdruck nur noch und stachelte ihn offenbar dazu an, sich weiter mit voller Absicht und sichtlicher Freude danebenzubenehmen.
«Warum?», fragte er mit verstellter Kinderquengelstimme.
«Weil du nicht lieb bist», zischte Lisa und zog an seinem Ärmel.
«Warum nicht?»
«Weil du mich ärgerst!»
«Warum?»
«Das wüsste ich auch gern!»
«Warum?»
Lisa atmete tief durch, verdrehte die Augen und legte die restlichen Einkäufe aufs Band. Erik hingegen nahm nun endlich den Helm vom Kopf und postierte sich grinsend am Ende des Laufbandes, um die Sachen in ihren Korb zu packen.
Plötzlich stand ein kleines Mädchen neben ihm, das laut weinte und einen sehr verzweifelten Eindruck machte. Sofort wandte Erik sich der Kleinen zu. Er ging runter auf die Knie und fragte, was denn mit ihr los sei.
«Mama!», war die schluchzende Antwort.
«Hast du deine Mami verloren?», fragte Erik.
Das Mädchen nickte, und Erik zögerte nicht lange, ihr tröstend über den Kopf zu streicheln. Dann war die Kleine für einen kurzen Augenblick still – allerdings nur, um Luft zu holen für die nächste Brüllattacke.
«Pass auf», versuchte Erik, sie zu beruhigen. «Wir finden deine Mami. Wie heißt du denn?»
«Sarah», stieß das Mädchen unter Tränen aus.
«Also, Sarah, wie sieht denn deine Mami aus?»
Während Lisa sich beeilte, zu zahlen, griff Erik in den Einkaufskorb und holte eine Tüte mit Schokoriegeln hervor. Er griff hinein, packte einen Riegel aus und überreichte ihn Sarah, die für einen kleinen Moment ihre herzerweichende Verzweiflung vergaß.
«Hat Mama einen roten Pullover an? Oder einen weißen? Einen gelben oder einen blauen?», fragte Erik mit einer Geduld, die nicht nur Lisa rührte, sondern auch Sarah zusehends belustigte.
«Sie hat keinen Pullover an», entgegnete die Kleine schließlich mit großer Empörung in der Stimme.
«Sie hat keinen Pullover an?!» Erik blickt mit gespielter Dramatik fragend zwischen Sarah und Lisa hin und her. «Deine Mama ist nackt zum Einkaufen gegangen?»
Sarah quickte augenblicklich los vor Vergnügen. «Aber die ist doch nicht nackt!», erwiderte sie amüsiert.
«Na, da haben wir aber Glück, du kleine Ausreißerin!» Erik strubbelte dem Mädchen durch die Haare.
Dann schaltete sich Lisa in die Unterhaltung ein: «Hat deine Mama denn eine Jacke an?»
Sarah nickte und biss genüsslich von ihrem Riegel ab, wobei sie die Schokolade um ihren Mund herum wie einen braunen Lippenstift verschmierte.
«Und welche Farbe hat die Jacke?»
«Ähm», dachte Sarah laut nach, «blau!»
«Gut», sagte Lisa. «Ihr wartet hier, und ich gehe nochmal durch die Gänge und suche nach deiner Mutter, okay, Sarah?» Lisa deutete in Richtung Drehkreuz.
«Und wir spielen in der Zwischenzeit U-Boot!», sagte Erik herausfordernd.
«U-Boot?», fragte Sarah mit weit aufgerissenen Augen.
«Genau. Ich bin das Boot, und du bist der Fernspäher. Das heißt, ich halte dich hoch, und du guckst in alle Richtungen, ob sich deine Mami irgendwo versteckt. In Ordnung?»
Sarah nickte und
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