Was ich dir schon immer sagen wollte
zu halten. Der eine Ärmel, der halb leer war, flatterte wie ein verletzter Flügel über dem Wasser.
Ihre wichtigste Geschichte handelte davon, wie sie immer mit ihrer Mutter mitzottelte, die vor Jahren Hausarbeit für Damen in der Stadt tat. In einem der Häuser gab es eine elektrische Wasch- und Wringmaschine, damals eine technische Neuheit. Robina, fünf Jahre alt, stand auf einem Stuhl, um Sachen in die Wringmaschine zu stopfen. (Sogar damals schon, begriff ich, war sie unfähig, von irgendetwas die Finger zu lassen, musste bei allen Vorgängen mitbestimmen.) Die Wringmaschine erwischte ihre Hand, ihren Arm. Dieser Arm endete jetzt zwischen dem Ellbogen und dem Handgelenk. Sie zeigte ihn nie. Sie trug immer ein Kleid oder eine Bluse mit langen Ärmeln. Aber ich hatte den Eindruck, sie tat es nicht aus Scham, sondern um das Geheimnis, die Wichtigkeit zu vergrößern. Manchmal liefen ihr kleine Kinder auf der Straße nach und riefen: »Robina, Robina, zeig uns deinen Arm!« Ihre Rufe waren sehnsüchtig und voller Achtung. Sie ließ sie eine Weile gewähren, bevor sie sie wie Hühner verscheuchte. Sie stand an der Spitze jener von mir erwähnten Menschen, die Behinderungen zu etwas Beneidenswertem, Hohn zu Huldigungen machen konnten. In meiner Vorstellung war dieser Arm immer etwas, das sie sich ausgesucht hatte, ein Zeichen von Bösem und Mächtigem.
Ich sehnte mich danach, ihn zu sehen. Ich stellte mir vor, dass er gerade abgesägt war, wie ein Baumstamm, und dass Knochen, Muskeln und Blutgefäße in ihrer knorpeligen, faserigen, inneren Nacktheit zu sehen waren. Ich wusste, meine Chance, ihn zu sehen zu kriegen, war ebenso gering wie die, je einen Blick auf die abgewandte Seite des Mondes zu werfen.
Andere Geschichten drehten sich um ihre Familie.
»Duval war als kleiner Junge den ganzen Tag oben auf dem Dach und hat ihnen geholfen, es mit Schindeln zu decken. Er hätte gar nicht da oben sein dürfen, weil er eine helle Haut hat, er hat die hellste Haut von allen in unserer Familie. Unsere ganze Familie ist hellhäutig, bis auf mich und Findley, dem Anfang und dem Ende. Niemand hat daran gedacht, wie heiß es für Duval wird, oder hat ihm einen Hut aufgesetzt. Ich hätte natürlich dran gedacht, aber ich war nicht zu Hause. Aber selbst wenn sie ihm einen Hut aufgesetzt hätten, hätte er ihn wahrscheinlich abgenommen, weil er denkt, er ist zu schlau, um einen Hut zu tragen, wenn die Männer keinen aufhaben. Also hat er sich nach dem Abendbrot aufs Sofa gelegt, als wollte er ein Nickerchen machen. Nach einer Weile schlägt er die Augen auf und sagt ganz laut: Weg mit den Federn aus meinem Gesicht! Wir konnten keine Federn sehen. Also haben wir uns gewundert. Dann setzt er sich auf, sieht durch uns hindurch, hat uns nicht mal erkannt. Oma, sagt er, hol mir ein Glas Wasser. Bitte, Oma, sagt er, hol mir ein Glas Wasser . Dabei war Oma gar nicht da, sie war tot. Aber so, wie er redete, konnte man meinen, dass sie direkt neben ihm saß, und dass wir anderen alle gar nicht im Zimmer oder zu sehen waren.«
»Hatte er einen Sonnenstich?«
»Er hatte eine Vision vom Himmel.«
Ihre Stimme klang dumpf und verächtlich.
Von allen Mitgliedern ihrer Familie, von Duval und Jimmy, die gleich nach ihr kamen, bis hinunter zu Findley, dem Fünfjährigen, sprach Robina mit sonderbarer Achtung und Ernsthaftigkeit, um mich wissen zu lassen, dass nichts, was ihnen widerfuhr, keine Bevorzugung oder Erkrankung oder Fehde oder Redensart, auch keines ihrer alltäglichen Abenteuer, leicht genommen werden durfte. Ihre eigene Wichtigkeit leuchtete durch die anderen oder deren Wichtigkeit durch sie. Ich begriff, dass ich im Vergleich dazu nicht viel wog. Trotzdem war ich das Kind des Hauses, in dem Robina arbeitete; das war immerhin etwas. Ich war nicht eifersüchtig.
Wenn wir durch den Wald gingen, kam es vor, dass wir von ferne Nüsse oder Kienäpfel fallen hörten, und Robina sagte dann: »Kann sein, Duval oder Jimmy oder die andern sind draußen und schütteln einen Baum.« Und ich fand das aufregend, die Vorstellung, in ihrer Nähe zu sein, im Revier ihrer Streifzüge und Abenteuer. Ich freute mich ebenso wie Robina auf den Anblick des ungestrichenen, etwas schiefen Hauses, dem kein Baum Schatten spendete und das auf verkrauteten Feldern umhertrieb – im Winter auf dem Schnee –, gerade außerhalb der Reichweite des Waldes, wie ein unglückseliges Boot auf einem Teich. Kinder kamen daraus hervorgestürzt, wenn sie uns sahen,
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