Was ich dir schon immer sagen wollte
erschienen prompt die beiden verschmolzenen Gestalten, fest und hell, wie die Kreidebilder, die sie früher – zu ihrer eigenen Überraschung – bei festlichen Anlässen an die Tafel gemalt hatte.
Was, wenn Viola irgendetwas davon gesehen hatte? Mehr, als sie ertragen konnte. Stärke wird notwendig sein, auch so etwas wie Dankbarkeit, wenn du dich am Ende deines Lebens in eine Spannerin verwandeln willst.
Die spanische Edeldame
Lieber Hugh, liebe Margaret,
ich bin in den letzten Wochen ziemlich viel allein gewesen, habe über uns alle nachdenken können und bin zu mehreren interessanten, wenn auch vielleicht nicht originellen Schlussfolgerungen gelangt:
1) Die Monogamie ist für Männer und Frauen kein natürlicher Zustand.
2) Der Grund für unsere Eifersucht ist, dass wir uns verlassen und ausgesetzt fühlen. Was absurd ist, denn ich bin eine erwachsene Person, fähig, für mich selbst zu sorgen. Ich kann also eigentlich gar nicht verlassen und ausgesetzt werden. Wir sind auch eifersüchtig – ich bin eifersüchtig, weil ich überlege, wenn Hugh Margaret liebt, nimmt er mir etwas weg und gibt es ihr. Stimmt nicht. Entweder gibt er ihr zusätzliche Liebe – zu der Liebe hinzu, die er für mich empfindet –, oder er empfindet Liebe nicht für mich, aber für sie. Sogar wenn Letzteres stimmt, bedeutet es nicht, dass ich nicht liebenswert bin. Wenn ich mich in mir selbst stark und glücklich fühle, dann ist Hughs Liebe nicht notwendig für mein Selbstwertgefühl. Und wenn Hugh Margaret liebt, sollte ich mich doch freuen, nicht wahr, wenn er dieses Glück in seinem Leben hat? Auch kann ich keine Forderungen an ihn stellen …
Lieber Hugh, liebe Margaret,
das, worunter ich leide, ist nicht bloß, dass ihr eine Affäre hattet, sondern dass ihr mich so geschickt betrogen habt. Es ist entsetzlich, wenn man feststellt, dass die eigene Vorstellung von der Wirklichkeit nicht die wahre Wirklichkeit ist. Margaret immerzu im Haus zu haben und zu dritt auszugehen und Margarets Getue, meine Freundin zu sein, war doch bestimmt unnötiger Betrug? Wie oft müsst ihr über mich gelacht haben, wenn ihr in meiner Gegenwart eure vorsichtigen, herzlosen Blicke tauschtet. Ihr habt mir alles zu eurer grausamen Belustigung vorgespielt, und dass ich mich so leicht übertölpeln und täuschen ließ, lieferte natürlich die Würze für euer Liebesspiel. Ich verachte euch beide. Ich könnte das nie tun. Ich könnte nie jemanden so zum Narren halten, den ich geliebt habe und mit dem ich verheiratet war, oder auch nur jemanden, der gut zu mir und meine Freundin war …
Ich zerreiße diese Briefe, alle beide, zerknülle sie und tue sie in den winzigen Abfallbehälter. Alles in diesem Schlafwagenabteil ist wohl durchdacht und zweckmäßig. In dieser Kabine aus Metall und Polsterung könnte ein Mensch ohne Unbequemlichkeit oder Unbehagen sein ganzes Leben verbringen. Der Zug fährt aus Calgary nach Westen. Ich sitze da und schaue, wie die braunen Ozeanwellen des dürren Landes zum Vorgebirge ansteigen, und ich weine eintönig, seekrank. Das Leben ist ganz anders als die düsteren, ironischen Geschichten, die ich gern lese, es ist wie eine tägliche Nachmittagsserie im Fernsehen. Die Banalität ist ebenso zum Weinen wie alles andere.
Freundin. Geliebte. Kein Mensch, den ich kenne, sagt mehr Geliebte. Freundin klingt frech, hat aber auch eine falsche Unschuld, ist merkwürdig ausweichend. Die Aura von Heimlichkeit und Leid, die das altmodische Wort umgab, ist völlig verschwunden. Violetta hätte nie irgendjemandes Freundin sein können. Nell Gwyn hingegen schon, sie war moderner.
Elizabeth Taylor: Geliebte.
Mia Farrow: Freundin.
Das ist genau die Art von Spiel, die Hugh, Margaret und ich an unseren früheren Abenden miteinander gespielt hätten, oder eher hätten Margaret und ich es gespielt, wobei sich Hugh über unsere Hingabe anfangs amüsiert und dann geärgert hätte.
Weder das eine noch das andere Wort passt gut zu Margaret.
Im vorigen Frühjahr fuhren wir in die Innenstadt, um ihr ein neues Kleid zu kaufen. Ich war charmiert und berührt von ihrer Sparsamkeit, ihrem bescheidenen Geschmack. Sie ist ein reiches Mädchen, sie wohnt im Oberland bei ihrer alten Mutter, aber sie fährt einen sechs Jahre alten Renault, der auf einer Seite eingebeult ist, und sie nimmt Brote mit in die Schule, sie möchte keinen Anstoß erregen.
Ich wollte sie überreden, ein langes, glattes Kleid aus schwerer dunkelgrüner
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