Was ich dir schon immer sagen wollte
grundsätzlich, kategorisch. Ich konnte mir nicht vorstellen, welche Taktik sie beeinflussen würde. Aber schlau war er doch. Er sagte, seiner Vermutung nach wollte ich bei meinem Mann bleiben. Er hatte Recht; ich konnte mir nichts anderes vorstellen, konnte nicht ertragen, auch nur daran zu denken.
Der Zug hält in Field, gerade innerhalb der Grenzen von British Columbia. Ich steige aus und gehe neben den Gleisen her, in einem warmen Wind.
»Angenehm, mal aus dem Zug auszusteigen, nicht?«
Ich hätte ihn fast nicht erkannt. Er ist klein, wie diese hübschen Filmstars es wohl auch oft waren. Seine Kleidung ist tatsächlich senffarben. Das heißt, das Jackett und die Hose sind es; sein offenes Hemd ist rot, seine Schuhe burgunderrot. Er hat die Stimme von jemandem, dessen Geschäfte ihn in täglichen und abhängigen Kontakt mit dem Publikum bringen.
»Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich Sie frage. Sind Sie Löwe?«
»Nein.«
»Ich habe Sie gefragt, weil ich Widder bin. Ein Widder kann sehr oft einen Löwen erkennen. Diese Sternzeichen sind einander sympathisch.«
»Tut mir leid.«
»Ich dachte, Sie sehen aus wie eine interessante Gesprächspartnerin.«
Ich gehe und schließe mich in mein Schlafwagenabteil ein und lese meine Illustrierte bis hin zu den Anzeigen für Schnaps und Herrenschuhe. Aber ich habe Gewissensbisse. Wahrscheinlich meinte er nicht mehr als das, was er sagte. Ich bin eine interessante Gesprächspartnerin. Der Grund ist, dass ich mir bereitwillig alles anhöre. Das mag an jenen Artikeln in Illustrierten liegen, die ich als Teenager zwanghaft las (als jeder Titel mit dem Wort Beliebtheit darin mich ängstigte und gleichzeitig faszinierte), die dringend anrieten, die gesellschaftliche Kunst des Zuhörens zu perfektionieren. Ich will es nicht tun. Aber Auge in Auge mit irgendjemandem, der eine Überzeugung, einen Irrglauben – den die meisten Menschen haben – oder auch nur eine lange Prozession verschwommener Erlebnisse mitzuteilen hat, empfinde ich etwas wie Verwirrung, genug, um mich zu lähmen. Du solltest aufstehen und weggehen, sagt Hugh, ich jedenfalls würde das tun.
»Sie zu fragen, ob Sie Löwe sind, das war nur, um etwas zu sagen. Eigentlich wollte ich Sie etwas anderes fragen, aber ich wusste nicht, wie ich mich ausdrücken sollte. Als ich Sie vorhin gesehen habe, wusste ich gleich, ich habe Sie schon einmal gesehen.«
»Das glaube ich nicht. Nein, ich glaube nicht.«
»Ich glaube, dass wir mehr als ein Leben führen.«
Unterschiedliche Erfahrungen, viele Leben in einem, meint er das? Vielleicht will er gerade die Untreue zu seiner Frau rechtfertigen, falls er eine Frau hat.
»Daran glaube ich. Ich bin schon einmal geboren worden, und ich bin schon einmal gestorben. Das ist wahr.«
Siehst du?, sage ich zu Hugh und fange schon an, ihm in meinem Kopf eine Geschichte über diesen Mann zu erzählen. Die finden mich immer .
»Haben Sie je von den Rosenkreuzern gehört?«
»Sind das die, die Reklame für das Meistern des Lebens machen?«
Ironie mag an ihn verschwendet sein, aber Süffisanz nimmt er wahr. Die nervende Gekränktheit des Konvertiten verhärtet seinen Ton.
»Vor sechs Jahren habe ich eine von den Anzeigen gesehen. Mir ging es ziemlich schlecht. Meine Ehe war zerbrochen. Ich trank mehr, als mir guttat. Aber das war nicht alles. Verstehen Sie? Das war nicht das wahre Problem. Ich saß einfach da und dachte, warum bin ich überhaupt hier? Religion und so – das hatte ich alles aufgegeben. Ich konnte nicht sagen, ob es so etwas wie eine Seele gibt. Aber wenn nicht, was soll’s? Wissen Sie, was ich meine?
Dann habe ich hingeschrieben und bekam einige ihrer Schriften und fing an, zu ihren Versammlungen zu gehen. Beim ersten Mal hatte ich Angst, da würde nur ein Haufen Spinner sein. Ich wusste nicht, was mich erwartete, verstehen Sie? Ich habe einen richtigen Schock bekommen, als ich sah, was für Leute da waren. Einflussreiche Leute. Reiche Leute. Leute in gehobenen Berufen. Alles kultivierte und gebildete, arrivierte Leute. Das ist keine Spinnerei. Das ist allgemein bekannt, wissenschaftlich bewiesen.«
Ich widerspreche nicht.
»Einhundertvierundvierzig Jahre. Das ist die Zeitspanne vom Beginn eines Lebens bis zum nächsten. Wenn also Sie oder ich mit, sagen wir, siebzig sterben, dann sind das … vierundsiebzig Jahre, vierundsiebzig Jahre bis zum Beginn des nächsten Lebens, wenn unsere Seele wiedergeboren wird.«
»Haben Sie
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