Was ich dir schon immer sagen wollte
hinein. Als die Münze gefallen war, ging eine Klappe auf, ein Maiskorn fiel auf die Tastatur eines Spielzeugklaviers, und das Huhn, das nach dem Korn pickte, produzierte einen blechernen Ton. Ich war empört und nannte das Betrug; aus irgendeinem Grund hatte ich dem Schild geglaubt, ich hatte geglaubt, das Huhn würde tatsächlich Klavier spielen. Aber es war Hughs Tat, sein Einwerfen der Münze, solche untypische Albernheit, die so verwunderlich war, ein Liebesgeständnis, stärker als alles, was er zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, irgendeinem Höhepunkt des Bedürfnisses oder der Befriedigung tat oder sagte. Diese Tat war wie etwas Aufschreckendes und Kurzzeitiges – ein sehr kleiner Vogel zum Beispiel von seltenen Farben –, ganz nah, in einem Winkel des Gesichtsfeldes, das man nicht direkt anzuschauen wagt. In jenem Augenblick war unsere Zuneigung zueinander völlig ungetrübt, nicht taktisch bedingt, und unsere Streitigkeiten kamen uns unwirklich vor. Eine Tür hatte sich aufgetan, womöglich. Aber wir gelangten nicht hindurch.
Der unglücklichste Augenblick, den kann ich Ihnen nicht erzählen. Alle unsere Auseinandersetzungen verschmelzen miteinander und sind eigentlich Neuinszenierungen ein und derselben Auseinandersetzung, in der wir einander dafür bestrafen – ich mit Worten, Hugh mit Schweigen –, so zu sein, wie wir sind. Mehr haben wir nie gebraucht.
Er ist der einzige Mensch, den ich ohne Weiteres leiden sehen könnte. Ich hätte nichts dagegen, ihn völlig abgekämpft zu sehen, mit Schweißperlen auf der Stirn vor Schmerz, damit ich sagen könnte: Jetzt begreifst du, nicht wahr, jetzt verstehst du . Ja. In seinem äußersten Schmerz würde ich ihm mein schmales, zufriedenes, distanziertes Lächeln zeigen. Ja, ich würde es ihm zeigen.
»Als mir endlich alles klar geworden ist, war das, als wäre mir ein Neuanfang vergönnt.«
Heutzutage glauben die Leute an Neuanfänge. Bis ans Ende ihres Lebens. Das muss erlaubt sein. Neu anfangen mit einem neuen Partner, unser altes Ich nur uns selbst bekannt; niemand darf irgendjemanden davon abhalten. Großzügige Leute machen die Tür weit auf und erteilen ihren Segen. Warum auch nicht? Es wird ohnehin geschehen.
Der Zug hat Revelstoke passiert, fährt durch die langsam auslaufenden Berge. Der Salonwagen ist leer, schon seit einiger Zeit, bis auf mich und den Rosenkreuzer. Die Kellner haben abgeräumt.
»Ich muss zurück.«
Er versucht nicht, mich aufzuhalten.
»Es war mir eine große Freude, mit Ihnen zu reden, und ich hoffe, Sie halten mich nicht für verrückt.«
»Nein. Das tue ich nicht.«
Er holt mehrere Broschüren aus der Brusttasche. »Vielleicht möchten Sie sich die einmal anschauen, wenn Sie Zeit haben.«
Ich danke ihm.
Er steht auf, verbeugt sich sogar leicht, mit spanischer Würde.
Ich ging allein in die Bahnhofshalle von Vancouver, mit meinem Koffer in der Hand. Der Rosenkreuzer ist irgendwann verschwunden, er hat sich in Luft aufgelöst, als hätte ich ihn erfunden. Vielleicht ist er nicht bis Vancouver gefahren, vielleicht ist er in einer der Städte im Fraser Valley ausgestiegen, am frühen, eisigen Morgen.
Niemand da, um mich abzuholen, niemand wusste, dass ich komme. Ein Teil der Bahnhofshalle ist mit Brettern vernagelt, abgesperrt. Sogar jetzt, zu der einen von den beiden Tageszeiten, an denen etwas los ist, sieht es hier aus wie in einer verlassenen Höhle.
Vor einundzwanzig Jahren holte Hugh mich hier ab, um diese Zeit am Morgen. Damals ein lauter, belebter Ort. Ich war an die Westküste gekommen, um ihn zu heiraten. Er hatte einen Blumenstrauß in der Hand, den er fallen ließ, als er mich sah. Weniger selbstbeherrscht zu jener Zeit, obwohl auch nicht kommunikativer. Das Gesicht gerötet, komisch streng dreinschauend, voller Gefühlsregungen, die er mannhaft ertrug wie eine private Heimsuchung. Als ich ihn berührte, blieb er starr. Ich konnte die gestrafften Sehnen in seinem Hals spüren. Er schloss dann die Augen und machte auf seine Weise voran. Er mag manches vorausgesehen haben; die bestickten Kleider, die Schwärmereien, die Seitensprünge. Und ich war nicht oft bereit, freundlich zu sein. Verärgert, die Blumen fallen zu sehen, unwillens, begrüßt zu werden wie auf Witzzeichnungen, bestürzt angesichts seiner Unschuld, die mir noch größer vorkam als meine eigene, machte es mir nichts aus, ihn ein Stück meiner Unzufriedenheit sehen zu lassen. Es gibt Schichten über Schichten in dieser Ehe, Fehler in der
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