Was ich dir schon immer sagen wollte
wohin ich ging, mit den Füßen im Backofen lesen zu können, wenn es mir gefiel.
Nach der Schule schaute ich bei meiner Großmutter und Tante Madge vorbei, um ihnen zu sagen, dass ich nach Hause ging. Inzwischen hatte der Wind wieder eingesetzt. Ich wusste, die Straßen würden verweht sein, der Sturm war noch nicht vorbei. Aber ich wollte mehr denn je nach Hause. Als ich die Haustür aufmachte und den Kuchen im Backofen roch – Winteräpfel – und die beiden alten Stimmen mich begrüßen hörte (Tante Madge rief wie immer: »Na, wer kann denn das sein?«, wie sie es schon getan hatte, als ich noch ein kleines Mädchen war), meinte ich, das alles nicht mehr ertragen zu können – die Sauberkeit, die Höflichkeit, das Warten. All ihre Zeit war Wartezeit. Warten auf die Post, warten aufs Abendessen, warten aufs Bett. Jetzt denken Sie vielleicht, dass auch die Zeit meiner Mutter Wartezeit war, aber das war sie nicht. Sie mochte auf dem Sofa liegen, krank und gelähmt, aber sie steckte immer noch voller hanebüchener Pläne und Wunschträume, Forderungen, die nicht erfüllt werden konnten, Streit, den sie suchte; sie hielt sich in Gang. Zu Hause herrschten immer Durcheinander und Zwänge. Das Muss, Eier zu reinigen, Holz hereinzuholen, das Feuer zu schüren, das Essen zu kochen, den Dreck wegzumachen. Ich war ständig in Hetze, erinnerte mich an etwas, vergaß etwas, dann setzte ich mich nach dem Abendessen einfach hin, wartete darauf, dass das Wasser fürs Abwaschen auf dem Herd heiß genug wurde, und verlor mich in meinem Buch aus der Bibliothek.
Es gab auch einen Unterschied zwischen den zu Hause gelesenen Büchern und den bei meiner Großmutter gelesenen. Bei meiner Großmutter kamen die Bücher nicht recht zur Geltung. Etwas in der Atmosphäre des Ortes drängte sie zurück, engte sie ein, trübte sie. Es gab keinen Platz für sie. Zu Hause, trotz der Dinge, die vor sich gingen, gab es Platz für alles.
»Ich werde nicht zum Abendessen da sein«, sagte ich. »Ich gehe nach Hause.«
Ich hatte meine warmen Sachen abgelegt und setzte mich zum Tee an den Tisch. Meine Großmutter bereitete ihn zu.
»Du kannst dich doch nicht so auf den Weg machen«, sagte sie zuversichtlich. »Machst du dir Sorgen wegen des Haushalts? Hast du Angst, sie schaffen das nicht ohne dich?«
»Nein, aber ich mache mich besser auf den Heimweg. Es stürmt nicht so schlimm. Die Schneepflüge sind draußen gewesen.«
»Auf der Hauptstraße vielleicht. Ich hab noch nie von einem Schneepflug auf der Straße zu euch gehört.«
Der Ort, an dem wir lebten, war, wie so vieles andere, ein Fehler.
»Sie hat Angst vor meiner knusprigen Kruste, das ist es«, rief Tante Madge in gespielter Verzweiflung. »Sie rennt einfach vor meinem Apfelkuchen davon.«
»Das wird es sein«, sagte ich.
»Du isst ein Stück, bevor du gehst. Er hat sich gleich abgekühlt.«
»Sie geht nicht«, sagte meine Großmutter, immer noch leichthin. »Sie spaziert nicht in diesen Schneesturm hinaus.«
»Das ist kein Schnee sturm «, sagte ich und schaute hilfesuchend zum Fenster, hinter dem es nur weiß war.
Meine Großmutter setzte ihre Tasse klappernd auf der Untertasse ab. »Na gut. Dann geh. Geh einfach. Geh, wenn du willst. Geh und frier dich zu Tode.«
Ich hatte meine Großmutter noch nie die Beherrschung verlieren hören. Ich hätte nie gedacht, dass ihr das widerfahren könnte. Es kommt mir jetzt merkwürdig vor, aber ich hatte in ihrer Stimme oder in ihrem Gesicht noch nie so etwas wie Kränkung oder Zorn wahrgenommen. Alles war stets indirekt gewesen, wurde ruhig ausgesprochen. Ihre Ansichten hatten distanziert gewirkt, voll traditioneller Autorität, unpersönlich. Was mich umwarf, war ihr Verzicht darauf. Sie hatte Tränen in der Stimme, und als ich sie ansah, standen ihr auch Tränen in den Augen und liefen ihr dann übers Gesicht. Sie weinte, sie war wütend und weinte.
»Nun also denn. Du gehst eben. Geh und frier dich zu Tode wie die arme Susie Heferman.«
»Ach, du je«, sagte Tante Madge. »Das stimmt. Das ist wahr.«
»Die arme Susan, die ganz allein wohnte«, sagte meine Großmutter zu mir, als wäre das meine Schuld.
»Das war draußen an unserer alten Landstraße«, sagte Tante Madge tröstend. »Du kannst nicht wissen, wen wir meinen. Susie Heferman, die mit Gershom Bell verheiratet war. Mrs. Gershom Bell. Für uns Susie Heferman. Wir sind mit ihr zusammen zur Schule gegangen.«
»Und Gershom ist voriges Jahr gestorben, und die beiden
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