Was ich dir schon immer sagen wollte
hergerichtet sein, dass sie so weit wie möglich aussahen wie die Häuser anderer Leute. Einigen der Ideen, die meine Mutter hatte und umsetzte, gelang es, mir den Sinn dieser Einförmigkeit nahezubringen.
Außerdem blieb es mir überlassen, hinterher sauberzumachen und die Farben, die Pinsel, das Terpentin wegzuräumen, da meine Mutter immer bis zur Erschöpfung arbeitete und sich dann stöhnend aufs Sofa legte.
»Da hast du’s«, sagte meine Großmutter verärgert und befriedigt, »immer stürzt sie sich auf so etwas, wo sie wissen müsste, das ist zu anstrengend für sie, und dann wird sie nicht fähig sein, die Dinge zu tun, die getan werden müssen. Sie geht hin und streicht Schränke an, dabei sollte sie deinem Vater das Abendessen kochen.«
Wahrere Worte wurden nie ausgesprochen.
Nach dem Abendessen ging ich aus, trotz des Wetters. Ein Schneesturm kam mir in der Stadt kaum wie ein richtiger Schneesturm vor; zu viel wurde von den Häusern und Gebäuden abgefangen. Ich traf mich mit meiner Freundin Betty Gosley, auch sie vom Lande, die in der Stadt bei ihrer verheirateten Schwester übernachtete. Wir waren froh, in der Stadt zu sein, und fanden es aufregend, so ausgehen zu können, in eine Art von Nachtleben, nicht einfach nur in die Dunkelheit und die Kälte und die peitschenden Windstöße, die unsere Häuser auf dem Land umschlossen. Hier gab es Straßen, die sich mit anderen kreuzten, gleichmäßig verteilte Laternen, ein menschliches Muster, das Wurzeln geschlagen hatte und funktionierte. Leute spielten Curling auf der Curlingbahn, liefen Schlittschuh in der Arena, sahen sich den Film im Lyceum Theater an, spielten Poolbillard im Billardsaal, saßen in zwei Cafés herum. Von den meisten dieser Vergnügungen waren wir durch Alter oder Geschlecht oder Geldmangel ausgeschlossen, aber wir konnten umherlaufen, wir konnten Cola mit Zitronenlimo – das Billigste – im Blue Owl Café trinken, schauen, wer hereinkam, mit einem Mädchen reden, das dort arbeitete und das wir kannten. Betty und ich standen nicht gerade im Zentrum der Macht, und wie nichtige Hofschranzen verbrachten wir viel Zeit damit, die Verhältnisse der Mächtigeren und Glücklicheren durchzuhecheln, Vermutungen über das Auf und Ab ihrer Laufbahnen anzustellen und harsche Urteile über ihre Moral abzugeben. Wir versicherten einander, dass wir nicht für eine Million Dollar mit bestimmten Jungen ausgehen würden, während wir in Wahrheit vor Glückseligkeit dahingeschmolzen wären, wenn diese Jungen uns auch nur mit Namen angeredet hätten. Wir überlegten, welche Mädchen schwanger sein könnten. (Im darauffolgenden Winter wurde Betty Gosley selbst schwanger, von einem benachbarten Farmer mit einer Sprachstörung und reinrassigem Milchvieh, den sie mir gegenüber nicht einmal erwähnt hatte; worauf sie sich, verschämt und stolz, in das privilegierte Leben verheirateter Frauen zurückzog und von nichts anderem mehr reden konnte als der Aussteuer, den Hochzeitsgeschenken für die Küche, den Babysachen und der morgendlichen Übelkeit, was mich einerseits neidisch machte und andererseits abschreckte.)
Wir gingen an dem Haus vorbei, in dem Mr. Harmer wohnte. Seine Fenster waren im ersten Stock. Es brannte Licht. Was fing er mit seinen Abenden an? Er nahm keines der Unterhaltungsangebote der Stadt wahr, ging nicht ins Kino oder zu den Eishockeyspielen. Er war nicht sonderlich beliebt. Und deswegen hatte ich ihn auserkoren. Ich bildete mir gern ein, einen besonderen Geschmack zu haben. Seine hellen, feinen Haare, sein weicher Schnurrbart, seine schmalen Schultern in dem abgetragenen Tweedjackett mit den Lederflicken auf den Ellbogen, seine spitzen Bemerkungen, die im Klassenzimmer sein Ersatz für körperliche Kraft waren. Einmal hatte ich mich mit ihm unterhalten, in der Stadtbibliothek, es war das einzige Mal. Er empfahl mir einen Roman über walisische Bergarbeiter, den ich nicht mochte. Kein Sex kam darin vor, nur Streiks und Gewerkschaften und Männer.
Wenn ich mit Betty Gosley an seinem Haus vorbeiging, unter seinen Fenstern herumlungerte, gab ich mein Interesse an ihm keineswegs offen zu erkennen, sondern machte stattdessen verächtliche Witze über ihn, nannte ihn einen Schwächling und Stubenhocker, beschuldigte ihn schändlicher intimer Praktiken, die ihn abends ans Haus fesselten. Betty beteiligte sich an diesen Mutmaßungen, verstand aber eigentlich nicht, warum sie so wüst sein oder so lange dauern mussten. Um ihr Interesse
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