Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)
Schwester, von oben, von ferne betrachtet. Als müsste er das Bild festhalten. Und was man nicht hören kann: zwei Atem im Zimmer in einer Nacht, und dass ihm die Stimme nicht versagte.
Schenken Sie mir ihr Ohr, bitte! Das hat er wirklich gesagt, viele Wochen ist das her.
Dass ihn die kleine Schwester an Hannah erinnert, das war nicht gleich geschehen. Er kann es jetzt aushalten. Es war längst Zeit. Immer wieder hat er junge Frauen gesehen, von denen er dachte, sie seien es, das dichte Haar, dunkel wie ihres, leicht gewellt, toupiert, kurz, oder mit Pferdeschwanz, die hohen Wangenknochen, die schmale Nase, die nach unten in die Breite ging, die zierliche lange Gestalt, mehr weiß er nicht mehr. Eine Sonnenbrille, auch dunkel. Bilder wie Blitze, wie Bienen auf Blüten, die sich setzten und genauso schnell wieder aufflogen, davonflogen, weit, wie Stare im Herbst.
Du müsstest nur zu mir stehen, habe ich zu Paula gesagt, sagt Bili ń ski. Und dass Leo es doch ahnt, ihr Vater, dass so ein Vater so etwas versteht.
Sie hat den Kopf geschüttelt, Paula. Und da habe ich gewusst: Jetzt muss ich gehen. Aber wie langsam die Botschaft durch meinen Körper wanderte, bis sie in meinen Füßen ankam, bis es die Füße verstanden, bis die Füße wieder die Botschaft nach oben sendeten und ich schließlich aus der Kammer verschwinden konnte. Kennen Sie so was? Wie langsam man reagiert?
Er wartet nicht auf eine Antwort, sieht Leo, sieht ihn auf der Bank sitzen. Das war bestimmt am folgenden Morgen, als er, Janek, vom Schuppen mit hängendem Kopf zum Haus hinübergelaufen kam. Aufmerksam war Leos Blick immer gewesen, wie der eines guten Vaters, wie der eines Menschen, der Anteil nimmt.
Bub, es ist besser, hat der Alte gesagt. Aus dir kann was werden, hat der Alte gesagt. Geh zu deinem Onkel.
Und ich habe nicht heulen müssen. Nur später, als ich manchmal überlegte, ob ich Leo noch einmal besuchen soll, um ihm zu danken. Aber es nie tat.
Sie haben ihm bestimmt gedankt, sagt die kleine Schwester.
Er weiß, dass er es getan hat: Ja, sagt er.
Er weiß, dass er ihm nie hatte genug danken können.
Wie ich mit Stani nach Gschwad kam, daran habe ich keine Erinnerung mehr. Nur an die letzte Nacht in Aichhardt, alleine unter dem maroden vieläugigen Schuppendach, das in dieser Nacht mit geschlossenen Lidern lag; der Mond schien nicht. Wind blies den Regen durch die Ritzen, blies die Feuchtigkeit auf mein Lager, die Nacht war laut. Ich hätte ungesehen, ungehört zu Paula hinübergehen können.
Er will die Augen öffnen, das geht aber nicht, zu viel Luft strömt in seinen Körper. Er strengt sich an. Licht dringt durch einen kleinen Schlitz, es ist so rot, dass er die Augen gleich wieder schließt.
Tiermehl kann man nicht essen. Warum macht diese Frau daraus ein Brot. Ist das Hannah? Es ist Paula! Teig quillt dick durch ihre Hände, umfängt die braunen Finger, heller Teig, fast weiß, hautiger Teig, schmierig, talgig, die Finger verschwinden, die Finger sind weg, nur noch der Teig liegt da und brodelnde weiße Blasen, immer neue weiße Blasen, milchweiß, knochenweiß. Die Hände kommen von oben, fassen mitten hinein, da platzen die Dinger, weiße Haut klebt auf den Fingern. Woher hat Paula das Mehl? Hunde liegen dort. Großes braunes Fell und weiches schwarzes, klein und matt, die bewegen sich nicht mehr. Ist er nun in der Fabrik? Schnitte am Bauch, lange Schnitte, am Bein, ritsch, ritsch, am anderen, das Messer ist scharf. Das Fell muss herunter, das Fleisch muss herunter, alles muss getrennt werden, das ist eine Arbeit, das will er aber nicht sehen. Knochen von Tieren. Er will nicht in Hannahs Fabrik sein. Der braune dicke Hund wird auf einem Band befördert, dahinter der schwarze und ein Dackel. Das ist ein Reh, das ist eine Katze, das ist ein Schwein, das ist auch ein Schwein, er kennt sich aus, das ist wieder ein Hund, noch einer. Das sind Knochen. Der Teig liegt auf dem Tisch, und darin wühlen die Hände. Ein Ring fällt herunter. Paula, der Ring!
Warum macht sie den Teig aus dem falschen Mehl, und warum hört sie ihn nicht? Da liegt doch der Ring neben ihrem Fuß. Das kann man doch nicht essen, das Brot. Die Hände wälzen den Teig über das Brett, graben sich hinein, reißen ihn auf, die Oberfläche zerfetzt und wird wieder zusammengepresst. Starke Hände sind das. Sehr starke Hände. Da macht jemand etwas an seinem Arm, da zieht jemand an seiner Haut, da drückt jemand seine Haut zusammen, Falten und Falten, nein. Er
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