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Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)

Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)

Titel: Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Hoffmann
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Augenlider aufstemmen.
    Kleine Schwester, sagt er. Und hört ihr erstauntes Auflachen noch.
    Der Arm schmerzt an der Stelle, an der die Kanüle für die Infusion liegt.
    Die Kanüle drückt, sagt er. Er schiebt sein langärmliges Feinripphemd nach oben, streckt den Arm vor ihr aus, blaue Flüsse, schmale und ein wenig breitere Bäche ziehen sich von der Einstichstelle bis ins Handgelenk, verzweigen sich, und andere laufen den Oberarm hinauf, hinein in sein weißes T-Shirt. So dünn ist die altersbraune Haut, dass alles, sogar die Länge der Nadel, jede Pore, jedes Mal, jeder Altersfleck und darunter jede noch so kleine Ader, alles, was zwischen Haut und Fleisch liegt, zu sehen ist. In der Armbeuge hat sich um die Nadel herum ein dunkelblauer See gebildet.
    Kleine Schwester nennen Sie mich?
    Er möchte keine Antwort geben.
    Wir müssen die Kanüle umlegen. Sagt die kleine Schwester. Aber die Hände wollen Sie frei haben, das wird nicht einfach werden, eine Stelle zu finden, die nicht schmerzt.
    Sie schaut ihn nicht an, dennoch sieht er alles in ihrem Gesicht, Mitleid und Wärme, aber auch ein ihn erstaunendes Befremden. Worüber? Sieht man in seiner Armbeuge den Tod kommen?
    Hannahs Mann, das ist der Sohn vom Tiermehlfabrikanten. Das weiß er schon lange. Arnold Demuth. Hannah Demuth. Er kennt sogar die Telefonnummer.
    Hannah, sagt die kleine Schwester. Wer ist das?
    Sie ist wie Sie, jedenfalls denke ich das, sagt er. Sie hätte mein Kind sein können, sagt er, und dann, als hätte sich dieser Gedanke ganz neu zusammengebraut:
    Immer müsste man alles so übereinandergelagert sehen, das Leben in durchsichtigen Scheiben, die ganzen Schichten von Erfahrung und Erlebnis und Empfinden, die Bilder und die Körper des Lebens, die eigenen und die fremden, die aus der Wirklichkeit und die aus den Träumen, die Landschaften und Witterungen aller Jahreszeiten, das Glück und das Unglück, die Freude und die Angst, Hoffnung, Sehnsucht und die Erfüllung, alles immer gleichzeitig. Und die Schmerzen und die Erlösung davon. Sagt er zur kleinen Schwester.
    Es ist das Ende der Dämmerung. Der Tag kommt gleich. Er beobachtet das Licht seit Monaten, jeden Morgen, die Farben im Zimmer, der Zimmerhimmel, wie er unter dem Aufgehen der Sonne zu leuchten beginnt, dann sieht das Gelb ganz natürlich aus. Das gelbliche Licht am Ende des Bettes, als bekämen seine Füße einen Heiligenschein. Das bläuliche auf dem Linoleum des Fußbodens. In zwei Stunden kommt die Ablösung, kommt der Tagdienst. Er hat die schlimmen Stunden heute verschlafen, und als er aufgewacht ist, war die kleine Schwester noch immer da, wie ein Fixstern sind Sie, hat er gesagt.
    Dann war es lange still.
    Paula, sagt er, und wenn sie nun aufschnaufte, weil sie den Namen nicht mehr hören will, dann würde er sich nicht wundern.
    Aber sie sagt nichts.
    Geduldig ist sie, weil ich ein alter Mann bin, weil ich sterbe, das ist ihre Aufgabe, dafür wird sie bezahlt, dass sie auffängt, was noch abfällt, bevor einer geht. Aufsaugen, wegputzen, abwaschen.
    Ich langweile Sie bestimmt. Sagt er.
    Sie schweigt.
    Ich langweile Sie zu Tode mit meinen Geschichten. Sagt er und schaut sie nicht an. Er spürt eine Bewegung neben sich.
    Ich brauche Sie! Sagt er. Das stimmt wirklich.
    Weil Sie sonst Schmerzen haben, sagt die kleine Schwester.
    Nein.
    Doch.
    Ja. Nein. Er spürt seine Ungeduld. Sie wollen nicht verstehen!
    Ich verstehe schon!
    Warum sind Sie auf einmal so störrisch?
    Weil Sie mich zu etwas zwingen wollen.
    Nein.
    Dass ich sage: Sie langweilen mich nicht.
    Er schüttelt den Kopf ins Kissen. Nein. Ja. Aber bitte, Marita, wirklich!
    Ich bin gespannt. Die kleine Schwester setzt sich aufrechter. Er spürt es, er hört es. Er weiß, dass er nun nicht noch eine Kurve drehen kann.
    Er hört die Uhr ticken. Und er hört seine Rolex ticken. Oder? Hört man meine Uhr?
    Sie lacht.
    Tickt meine Uhr so laut?
    Ja, sagt die kleine Schwester, sie lacht noch immer. Wenn Sie es genau wissen wollen, ja.
    Das war kein Witz! Sagt Bili ń ski.
    Sie gluckst, dann ist es still.
    Er könnte nun schmollen. Wie bei Agota. Er könnte sich in seinen Kopf zurückziehen und sich hundertmal vor sich selbst rechtfertigen in Gedanken. Er könnte niemanden mehr brauchen müssen. Lass die Schmollerei. Agotasatz. Und sag, was los ist!
    Sie langweilen mich tatsächlich nicht. Sagt die kleine Schwester.
    Er hört sich atmen, drei Mal sehr tief. Dann kann er es sagen: Danke!
    Agota hat immer gesagt, melde dich bei

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