Was im Dunkeln liegt
Straße«, sagte ich. »Hoffentlich ist er das nicht – und spioniert uns aus.«
»Na, jedenfalls ich bevorzuge Mädchen«, wiederholte Trudie. »Deshalb bin ich auch von der Schule geflogen. Ich und ein anderes Mädchen. Die Lehrer haben unsere Eltern einbestellt und waren sich mit ihnen darin einig, dass wir getrennt werden sollten. Ich muss im September in eine neue Schule gehen und darf Bev nie wiedersehen. Deshalb bin ich abgehauen.«
»Trudie – wie alt bist du?« Auf den Ellbogen gestützt, sah ich sie an. Sie lag mit dem Rücken zur Tür, die ein wenig offen stand, und einen Moment glaubte ich, in dem Türspalt einen Schatten zu sehen, als würde sich jemand auf dem Treppenabsatz befinden. »Wer ist da?«, fragte ich scharf.
Augenblicklich drehte Trudie sich um, aber es ertönte
keine Antwort und es ließ sich auch niemand blicken. »Das ist nur die ermordete Agnes«, sagte sie vergnügt. Es war ihre Standardantwort auf knarrende Dielenböden oder flüchtige Schatten.
»Und wenn es nun Simon oder Danny war?« Die Frage war eher rhetorisch gemeint, es war nicht mehr als ein Schatten an der Peripherie meines Gesichtsfelds gewesen. Ich war mir nicht sicher, ob da überhaupt etwas gewesen war.
»Das kann nicht sein«, versicherte mir Trudie. »Die schuften beide wie verrückt, um rechtzeitig für den Bauarbeiter fertig zu sein. Und mal abgesehen davon – was wäre wenn?«
Trudies lockere Einstellung in dieser Frage ließ in mir sämtliche Alarmglocken schrillen. Schließlich war ich immer noch Dannys Freundin. Ich mochte vielleicht wütend auf ihn sein und der Auffassung, dass das, was ich soeben mit Trudie getan hatte, nicht derselben Art von Untreue entsprach wie Sex mit einem anderen Mann; gleichwohl konnte ich mir nicht vormachen, dass er sonderlich erbaut darüber wäre, mich mit unserer weiblichen Mitbewohnerin im Bett vorzufinden. Anders gesagt – dies war nicht dieselbe Ebene von Freundschaft, wie mit Cecile einen Einkaufsbummel zu machen.
»Hör zu, Trudie«, sagte ich. »Das war toll und alles, aber ich finde nicht, dass wir Danny etwas davon erzählen sollten – oder Simon. Zumindest jetzt noch nicht.« (Niemals, sagte eine Stimme in meinem Kopf. Das ist lesbisch, Herrgott noch mal – eine Episode, die du besser für dich behältst – Punkt.)
»Okay.« Trudie war nicht im Mindesten verärgert. »Ich kann ein Geheimnis für mich behalten.«
»Gut. Ich muss erst einige Dinge zwischen Danny und mir klären, verstehst du?«
»Klar.« Trudie beugte sich zu mir und strich mit den Lippen über meine Stirn. »Ich werde kein Sterbenswörtchen sagen. Nicht, bis alles geklärt ist – und dann könntest du ja in mein Zimmer ziehen, oder?«
»Wir sollten jetzt lieber aufstehen«, sagte ich rasch. »Die Jungs werden sich schon fragen, wo wir sind – und was wir machen.«
»Ach, wir erzählen ihnen einfach, wir hätten aufgeräumt«, sagte Trudie unbekümmert. »Die merken sowieso keinen Unterschied.«
Trudie zog sich beinahe ebenso schnell wieder an, wie sie sich ausgezogen hatte, und ging dann hinunter, um die trockene Wäsche für mich abzunehmen. Sie kehrte mit den Sachen ins Zimmer zurück, wartete, bis ich mir etwas übergezogen hatte – eine abgeschnittene Jeans und ein Baumwolltop, beides noch warm von der Sonne –, und gab mir noch einen letzten Kuss, ehe wir zusammen nach unten gingen. Mein Herz klopfte, als wir die Küche betraten, doch die Jungs waren noch draußen. Ich stellte das Bügelbrett auf und machte mich über den Korb mit der frischen Wäsche her, konzentrierte mich so intensiv auf diese Arbeit, als hinge mein Leben davon ab, während Trudie in der Küche herumfuhrwerkte und unser Abendessen zubereitete.
Ihre Nähe machte mich nervös. Unentwegt sang sie vor sich hin – kurze Liedfetzen, während die Sonne über die Decke tanzte, wann immer sie ein Messer oder ein anderes Metallteil bewegte. Ungefragt schenkte sie mir ein Glas Wasser ein, lächelte, als sie es neben mir abstellte. Ich versuchte zurückzulächeln, war in Gedanken aber unentwegt
bei Danny. Unser Streit musste noch geklärt werden. Und was, um Himmels willen, würde er sagen, wenn er das mit Trudie und mir herausbekäme? Und dann war auch noch das Problem mit Trudie selbst. Als die Glut unseres kleinen Abenteuers zu erkalten begann, fragte ich mich, welcher Wahnsinn da von mir Besitz ergriffen hatte. Ihr Vorschlag, ich solle in ihr Zimmer ziehen, war
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