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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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besitzt, um ihm zu verzeihen, und dadurch wurde ihr klar, dass diese Geschichte ihre Zukunft in tausend winzige Scherben zerschlagen könnte. Von ihrer Rage blieb nur Resignation. Keine Rachegelüste, keine Trauer. Nur Resignation.
    «Dann stimme ich für Grease », sage ich in der Hoffnung, sie aufzumuntern. «Weißt du noch, wie viel Spaß wir in unserem Abschlussjahr damit hatten?»
    Sie zuckt die Achseln.
    «Jetzt komm schon», sage ich. «Höchste Zeit, eine neue Sandra Dee zu finden. Du darfst die Krone weiterreichen.» Ich biege auf die kleine Schotterstraße ab, die runter zum See führt. Ich bin diese Straße damals während der High School Millionen mal entlanggefahren. Wir verbrachten jeden Sommer mit Ferienjobs im Supermarkt, im Diner, auf irgendwelchen Baustellen und trafen uns abends am Lagerfeuer, tranken Bacardi Breezer aus der Flasche und hörten Pearl Jam.
    «Ich glaube, ich reiche eher die Spandex-Leggins weiter», sagt sie lächelnd. «Da passe ich sowieso nie mehr rein. Gott, ja, okay. Das hat wirklich Spaß gemacht.» Susie verliert sich mit verklärtem Gesicht in Erinnerungen an Grease und alles, was danach kam. Wir biegen auf die Lichtung am See ein. «Okay. Warum nicht? Ein bisschen Abwechslung kann nicht schaden.»
    «There are worse things you could do.» Albern grinsend stelle ich den Motor ab.
    «Hör auf!» Aber lachen muss sie trotzdem über mein Grease- Zitat, während sie in der Abenddämmerung ums Auto geht und die Zwillinge aus den Kindersitzen holt.
    Obwohl locker ein paar hundert Leute versammelt sind, entdecke ich Luanne fast augenblicklich. Hektisch winkt sie uns mit ihren dünnen Armen zu sich rüber. Charlie, ihr dreijähriger Sohn, sitzt auf ihrem Schoß und kaut auf einem Käsebrot, und ihr Mann Ben steht auf, um uns mit Küsschen zu begrüßen.
    «Na!», sagt sie leise, und während Susie eine Decke ausbreitet und den Picknickkorb auspackt, zieht sie mich zur Seite. «Komm mit.» Sie nimmt mich am Handgelenk, und wir gehen ein paar Schritte.
    Luanne und ich sehen uns unglaublich ähnlich. Graublaue Augen, die ungefähr zwei Millimeter zu weit auseinanderliegen, kleine Stupsnasen, die wir von unserer Mutter geerbt haben, blasse Haut, die ohne Sonnenschutz augenblicklich verbrennt, sich aber trotzdem, wie ich während der High School herausgefunden habe, mit viel Pflege und Lotion den idealen Sommerteint entlocken lässt. Trotz aller Ähnlichkeit ist Luanne einen Hauch hübscher als ich. Ihre Gesichtszüge sind fließender als meine; die Fältchen um ihre Augen sind noch nicht mal eine leise Ahnung. Auch wenn ich mir meine Falten über die Jahre redlich verdient habe. Luanne hatte nie so schwer zu tragen wie ich.
    «Wie geht es Dad?», fragt sie.
    Ich habe Luanne nach dem Grillfest angerufen, um es ihr zu erzählen, aber erst nachdem sie mir geschworen hatte, Darcy nichts zu sagen und ausnahmsweise das geschwisterliche Ehrenwort zu missachten, all unsere Geheimnisse zu teilen. Als Mittlere hatte Luanne damals, als Mom starb und Dad sich im Alkoholnebel verlor, einen Puffer auf beiden Seiten. Sie ging weiter zum Fußballtraining und besuchte weiter ihre Biologiekurse, weil ich mich um die Rechnungen kümmerte, die mein Vater zu zahlen vergaß, oder zum Supermarkt lief, weil wieder mal kein Klopapier im Haus war, oder Darcy abends vorlas, wenn mein Vater «im Laden wieder mal länger brauchte», obwohl er – im Rückblick betrachtet – sicher in der Kneipe war.
    Wie erwartet reagierte Luanne mit der Ausgeglichenheit des mittleren Kindes. «Sag mir, wie ich helfen kann», sagte sie, als hätte er plötzlich eine Allergie entwickelt. «Vielleicht kann ich rüberkommen und mal mit ihm reden», schlug sie vor, den professionellen Krankenschwester-Tonfall angeknipst. Im Hintergrund rief Charlie nach ihr, und ich hörte, wie Ben ihn beruhigte, bis Mama am Telefon fertig war. Ich war mir sicher, sobald das Gespräch beendet war, wäre bei ihr alles wieder gut. Nur ein weiteres Drama, dem sie als Zaungast beiwohnte, während ihre große Schwester mal wieder bis über beide Ohren im Chaos steckte und versuchte, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
    «Er ist nüchtern», sage ich achselzuckend. Und das stimmt. Zu Hause und nüchtern, hat er es sich in der noch warmen Kuhle, die Tyler heute Morgen hinterlassen hat, auf dem Sofa vor dem Mariners-Spiel gemütlich gemacht. «Wir werden sehen.»
    Meinen Traum, meinen völlig durchgeknallten Vorsehungstraum , habe ich inzwischen als puren

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