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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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marschieren, Nachbarn und Freunden zuzuwinken, als würde man sich nicht sowieso jeden Tag an der Tankstelle oder im Supermarkt über den Weg laufen.
    Ich bin selbst dreimal in der Parade mitgelaufen, während der High School, als Cheerleader für die Westlake Wizards. Wir flippten jedes Jahr völlig aus, warfen unsere Beine in die Luft und schleuderten die Pompoms mit einem Elan, den nur Teenager an den Tag legen können, schrien uns unsere hormongebeutelten Lungen aus dem Hals, um unsere Baseball spielenden, Basketball spielenden, Football spielenden Freunde zu bejubeln, die eben erst als frischgebackene Herbstmeister zurückgekehrt waren. Im Senior Year hatte ich gerade die Ziellinie überschritten, die Wizard Band tobte noch in meinem Rücken, als Tyler quasi über mich herfiel, mich über seine Schulter warf und in seinen Truck verschleppte, wo wir eine besonders schräge Version von «La Bamba» zum Besten gaben.
    Letztes Jahr hat Tyler sich zum ersten Mal vor der Parade gedrückt. Er hat zwar gesagt, er sei krank, aber inzwischen bin ich davon überzeugt, dass auch das ein Warnsignal gewesen ist, eine Alarmglocke, die ich schlicht überhört habe. Als ich mit roten Wangen und jeder Menge «Das glaubst du nie!» -Geschichten nach Hause kam, war die Wohnung verlassen. Als er eine halbe Stunde später zurückkam, saß ich schon wieder über einer Unmenge College-Bewerbungen, und ich weiß noch, dass er verschwitzt aussah und ganz offensichtlich wieder bei bester Gesundheit war.
    «Mir geht’s wieder gut», sagte er, ehe er nach oben unter die Dusche verschwand. «Also bin ich Laufen gegangen.» Ich nickte und habe bis jetzt nicht wieder daran gedacht. Diesen Streich spielt uns unsere Erinnerung ja öfter: Auf einmal tauchen längst vergangene Momente aus unserem Leben wieder auf, und uns wird klar, dass uns damals der wichtigste Aspekt daran entgangen ist.
    «Ich weiß nicht, wer ich ohne dich bin.» Tylers Worte hallen durch meinen Kopf. Ich fange langsam an zu begreifen, dass in gewisser Weise auch alles, was ich in Westlake geworden bin, mit ihm zusammenhängt. Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, wie ich mich lösen soll. Vielleicht ist das schon immer so gewesen, grüble ich, während ich meinen Vater mit einem Küsschen begrüße und Dante zum Startschuss für die Festlichkeiten die Bühne erklimmt. Vielleicht bin ich nur einfach nie auf die Idee gekommen, es könnte irgendwann wichtig sein, dass ich mich unabhängig von Tyler definiere. Und jetzt kann ich nirgendwohin gehen – wirklich nirgendwohin! –, ohne ihn zu sehen, obwohl ich ihn – und natürlich bleibt mir die Ironie dessen nicht verborgen – nur deshalb überall sehe, weil er nicht mehr da ist.
    Bei dem Gedanken an Tyler, an dieses ganze Theater – der Westlake-Flitter in der Luft, die Menge, die sich nur versammelt hat, um den Männern zuzujubeln, die seit Jahren in ihrer glorreichen Vergangenheit schwelgen – würde ich am liebsten kotzen. Wer schmeißt diesen Typen denn eigentlich diese dämliche Parade? Wieso geben wir auch nur einen Fliegenschiss auf Leistungen, die drei Jahrzehnte zurückliegen? Ich wünschte wirklich, Tyler wäre hier, aber nur damit ich ihm endlich eine scheuern kann. Gott, würde sich das gut anfühlen.
    Ich schwelge förmlich in dieser Vorstellung, spüre sein Gesicht an meiner Hand, lasse ihn spüren, wie sehr er mich enttäuscht hat , als mir plötzlich jemand von hinten auf die Schulter tippt. Ich fahre herum, randvoll mit meinen Gewaltphantasien, und sehe Eli vor mir stehen.
    Er ist völlig außer Atem, auf seiner Stirn stehen Schweißperlen, und als er sich mit der Hand durch die Haare fährt und Hallo sagt, bleiben die Strähnen einfach kerzengerade stehen.
    «Ich wusste, dass ich dich hier finden würde», sagt er und fügt dann, fast entschuldigend, hinzu: «Ich bin hergelaufen, ich wollte noch mal überprüfen, dass die Jahrbuch-Leute auch rechtzeitig vor Ort sind.» Er legt den Kopf schief. «Alles klar?»
    Ich will gerade antworten, da erklingt durch die Lautsprecher dröhnend Darcys Stimme, und die Menge antwortet jubelnd, als sie allen dafür dankt, dass sie gekommen sind, was ich irgendwie niedlich finde, weil diese Typen selbst noch zur öffentlichen Westlake-Prostata-Untersuchung kommen würden, aber Darcy hat ihr Publikum schon immer mitgerissen. Ich schiebe Tyler weg – schwups!  – ja, ich kann dich einfach auslöschen, genau wie du mich.
    Das Schlagzeug spielt einen

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