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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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«Gleichschaltung» ein Geflecht von Behörden und Zuständigkeiten, die oftmals darum wetteiferten, wer von ihnen den Willen des Führers am eifrigsten vollziehen könne. Man müsse «dem Führer entgegenarbeiten», so hat der Historiker Ian Kershaw diese Mentalität der Erfüllungsbereitschaft, die auch in der Realisierung des Holocaust eine wichtige Rolle spielte, gekennzeichnet. Sie beruhte darauf, dass der Diktator Hitler sich zwar für sehr viele Details interessierte, dann aber konkrete Anweisungen wieder im Dunkeln ließ.
    Statt in einer klaren Befehlskette von oben nach unten funktionierte die Diktatur also zugleich als eine «Polykratie», ein Herrschaftssystem vieler und konkurrierender Instanzen. Das war Hitler wohl auch bewusst, und er kalkulierte damit; an seiner überragenden Stellung im «Dritten Reich» kann gar kein Zweifel sein. Nach der Ausschaltung Röhms und der SA am 30. Juni 1934 gehörte ihm die unbedingte Loyalität auch potentieller Konkurrenten im engsten Führungskreis bis zum Schluss. In Partei und Bewegung, aber auch gegenüber weiten Teilen der Bevölkerung konnte sich Hitler auf seine besondere Aura, auf sein Talent als Redner, auf seine Fähigkeiten der Massenbegeisterung verlassen. In Volksabstimmungen und anderen plebiszitären Ritualen – auf den Reichsparteitagen, in Rundfunkansprachen – brachte Hitler dieseAusstrahlung zur Geltung und sicherte seiner Herrschaft damit Zustimmung. Max Webers Begriff der «charismatischen Herrschaft» wird deshalb öfters auf Hitler und seine Stellung im NS-Regime angewendet.
    Der Appell von Hitler, Goebbels und anderen Nationalsozialisten an das Volk sprach auffällig oft von der «Volksgemeinschaft», die es jenseits herkömmlicher sozialer Unterschiede zu schaffen galt und in die sich der Einzelne im Interesse der Gesamtheit einzugliedern hätte. Lange Zeit hat man das eher für eine Propagandaformel gehalten, die wenig Resonanz gefunden habe. Aber die Volksgemeinschaft war ein, vielleicht sogar das zentrale Konzept der Nazis, dem wichtige Teile ihrer praktischen Politik entsprachen, besonders in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, und das zugleich in breiten Kreisen der Bevölkerung attraktiv war: im allgemeinen Sinne, weil man sozialer Konflikte und Klassenkämpfe überdrüssig war, aber auch ganz konkret, wenn es um soziale Leistungen der Volksgemeinschaft ging oder um ihre Freizeitangebote, wie sie die «Kraft durch Freude»-Organisation bereithielt. Sie funktionierte zudem nicht nur «von oben nach unten», in Propaganda und Leistungsgewährung, sondern wurde in der deutschen Gesellschaft oft bereitwillig aufgegriffen. Sie konstituierte sich geradezu an der Basis, wenn Bürgerinnen und Bürger in einer Kleinstadt ihre jüdischen Mitbürger ausgrenzten und der alltäglichen Gewalt auslieferten. Volksgemeinschaft war dann «Selbstermächtigung», die mit demokratischem «grass roots»-Handeln nichts mehr zu tun hatte.
    Die nationalsozialistische Volksgemeinschaft ersetzte vielmehr die demokratische Gemeinschaft der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und definierte zugleich das Volk der Demokratie um, in mehrfacher Hinsicht: Ausgangspunkt waren nicht Individuen, die sich gemeinsam als Volk verstanden und politisch handelten, sondern dieses Volk begann als ein Kollektiv und forderte die Unterordnung des Individuums, wie es etwa die pseudo-demokratische Rechtsformel «Gemeinnutz geht vor Eigennutz» ausdrückte; oder noch klarer: «Du bist nichts, dein Volk ist alles!» Zweitens war das Volk der Nationalsozialisten keine politische Einheit, schon gar nicht die Quelle einer demokratischen Ordnung; es sollte eine ethnische, vielleicht auch eine Willensgemeinschaft sein, deren politischer Wert sich auf die Akklamation des Führers beschränkte. Nicht zuletzt umfasste dieses Volk, drittens, nicht die gesamte Bevölkerung. Es verlor seine universalistische Bedeutung und zog eine scharfe Grenze der Zugehörigkeit nach außen. Mit anderenWorten: In diesem Volk und seiner Gemeinschaft hoben die Nazis die staatsbürgerliche Gleichheit auf und ersetzten sie durch das scharfe Gefälle zwischen «arischen» und politisch loyalen Volksgenossen auf der einen Seite, «Gemeinschaftsfremden» und «Fremdrassigen» auf der anderen Seite, die nicht zum «deutschen Volk» gehören konnten und

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