Was ist Demokratie
Anziehungskraft entfaltete; eng verknüpft und doch nicht identisch mit der Neubegründung der Demokratie. Republik, das war und ist die Staatsform einer Selbstregierung, die nicht auf die Führung durch Könige oder Kaiser, auch nicht durchDiktatoren, angewiesen ist â also das Gegenteil von Monarchie (und teils auch von Diktatur). So verwenden auch Althistoriker den Begriff, wenn sie von der Römischen Republik als der Zeit zwischen dem Ende der Königsherrschaft und der Begründung eines Kaisertums durch Augustus sprechen. Aber für die Zeitgenossen war die Sache komplizierter. So inszenierte Augustus sich als Retter, als Wiederhersteller der Republik, die durch permanente Krisen, durch Bürgerkriege und Diktaturen handlungsunfähig geworden war. Darin steckte mehr als bloÃe Propaganda, denn die Bezeichnung «res publica» lebte auch nach dem Ãbergang von 27. v. Chr. fort. Sie bezeichnete, prinzipiell nicht unähnlich der griechischen «Eunomie» oder «Politeia», eine gute und stabile politische Ordnung. Zugleich fehlte der Römischen Republik ein Bewusstsein ihrer Verfassung im modernen Sinne: ein politisches System, das sich eine Gesellschaft gibt. Man hatte sich nicht bewusst für die Republik und gegen die Monarchie entschieden im Sinne der Wahl einer Staatsform; erst recht gab es keine schriftlich niedergelegte Verfassung. Die Politik war nicht Produkt einer von ihr erst einmal unabhängigen Gesellschaft; als wählbar, als verfügbar, also als «kontingent» (im Sinne von: nicht notwendig, nicht «natürlich») konnte man sich die Verfassung nicht vorstellen.
Auf der anderen Seite erhob der Anspruch der «res publica» doch ein Programm, das sogar mit der Beteiligung des Volkes an der Herrschaft, also mit Demokratie, verknüpft war. Dafür spricht schon die Herkunft und Bedeutung des Wortes «publicus», das in Verbindung zum lateinischen Wort «populus» für das Volk steht â so wie es sich bis heute in Begriffen wie «Populismus» spiegelt. Die «res publica» sei die «res populi», die Sache des Volkes, legte Cicero in seiner Schrift über die Republik dem Scipio Africanus in den Mund. Res publica, das ist aber zuerst die «öffentliche Sache»: das, was der gemeinschaftlichen Verhandlung und Regelung bedarf. Das inzwischen altmodische Wort «Gemeinwesen» ist eine Ãbersetzung davon. Die Unterscheidung zu den «res privata», modern gesprochen also: zwischen Ãffentlichkeit und Privatsphäre, konnten die Römer in der Antike schon klarer ziehen als die Athener. Und besonders in der Dauerkrise der späten Republik â ziemlich genau ein Jahrhundert zwischen den Reformen der «Gracchen», der Brüder Tiberius und Gaius Gracchus, und der Etablierung des Prinzipats â breitete sich ein Bewusstsein von der Gefährdung dieser Ordnung aus, die man vor Schaden oder mutwilliger Zerstörung zu bewahren habe. Das spiegelt sich in der berühmten Formel des Staatsnotstandes,des «senatus consultum ultimum»: «Die Konsuln mögen zusehen, dass die Republik keinen Schaden nehme»
(videant consules ne quid res publica detrimenti capiat).
Dieses Motiv der stets durch Chaos und Bürgerkrieg, durch Diktatur, durch den Verlust der gesetzmäÃigen Ordnung gefährdeten Republik entfaltete eine lange Wirkungsgeschichte in der Moderne. Wer klassisch gebildet ist, sagt bis heute nur «videant consules», wenn er auf eine Gefährdung von Freiheit und Demokratie aufmerksam machen will, die besondere Wachsamkeit erfordert.
Aber die Römische Republik war keine Demokratie. Sie war es nicht im eigenen Selbstverständnis, und sie ist es auch nicht für heutige Historiker, die auf wichtige Unterschiede zu Gesellschaft und Verfassung der athenischen Polis hinweisen. Nach dem Sturz der Könige hatten die adligen Familien Roms die Macht übernommen. Sie bildeten eine relativ geschlossene Führungsschicht, das Patriziat, das sich von den breiten bäuerlichen und handwerklichen Volksschichten, den Plebejern, deutlich abhob. Die schlechte wirtschaftliche Situation, vor allem die Verschuldung der Bauern führte im 5. und 4. Jahrhundert â während also in Athen die Demokratie in Blüte stand â in heftige Konflikte, die «Ständekämpfe», in deren Verlauf sich die Plebejer politisch organisierten und auch Einfluss auf die
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