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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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zur Demokratie erklären will: Die Kultur und das Selbstverständnis Roms ruhten maßgeblich auf Herkommen und Tradition. Man berief sich gern auf die Sitten der Vorväter, den «mos maiorum», den es zu achten gelte. Demokratie aber erfordert ein Bewusstsein von der menschlichen und gegenwärtigen Machbarkeit einer neuen, auch gegen Herkommen und Tradition gerichteten Ordnung des Politischen.
    Andererseits entwickelte die Römische Republik eine Vielzahl von Institutionen, die in abgewandelter Form als unverzichtbarer Bestandteil moderner Demokratien gelten, mindestens aber als ihre Voraussetzung. Dazu gehört eine Rechtsordnung, die freilich erst in der Zeit des Kaiserreichs zu voller Entfaltung kam und die dem Prinzip Bahn brach, (berechenbare) Gesetze und nicht (willkürliche) Personen sollten herrschen. Das Gesetz sei das Band der bürgerlichen Gesellschaft, schrieb Cicero. Dem römischen Bürgerbegriff fehlte die egalitäre – oder besser: die «isonomische» – Stoßrichtung, aber dafür erinnerte der «Civis Romanus» eher an den modernen Staatsbürger. Auch hier erfolgte eine entscheidende Verbreiterung, die Ausweitung des Bürgerrechts auf alle Untertanen des Römischen Reiches, jedoch erst in der kaiserzeitlichen Spätantike. Als folgenreichste Innovation aber erwies sich die Erfindung der Republik selber, im erwähnten doppelten Sinne: Als das Gegenprinzip zur Monarchie blieb sie zwar im antiken Rom aristokratisch befangen – aber auch in der Neuzeit gab es Adelsrepubliken wie die polnische im 18. Jahrhundert oder andere Gestaltungsformen nichtdemokratischer Republik. Holland seit dem 17. Jahrhundert, die italienischen Stadtrepubliken: Sie schreiben gleichwohl ein wichtiges Kapitel in der Frühgeschichte der Demokratie. Als «res publica», als öffentliche Sache und Gemeinwesen, ist der römische Beitrag diffuser. Aber er grundiert unverkennbar das Selbstverständnis moderner Demokratien – nicht zuletzt im Sinne eines normativen Appells an Recht, Öffentlichkeit und Gemeinwohlbezug, an dem sich der Gebrauch von Macht messen lassen muss. Denn wie die Römer schon wussten, existiert die «res publica» – wir würden heute übersetzen: die Demokratie – immer schon in Gefährdung, und ist deshalb eine zu verteidigende.
4 Ein ferner Spiegel:
Antike und moderne Demokratie
    Die griechische und römische Antike fasziniert moderne Menschen bis heute. An erster Stelle stehen dabei die unmittelbaren Hinterlassenschaften Athens und Roms, die archäologischen Zeugen der Akropolis und des Forum Romanum. Der Blick auf antike Skulpturen ist wie der Blick in einen Spiegel, und viele andere Facetten der klassischen Kultur sind bis in die Alltagskultur hinein präsent, auch wenn die Prägekraft des bildungsbürgerlichen Griechisch- und Lateinunterrichts nachgelassen hat. Während die humanistisch Gebildeten vor hundert Jahren sich geradezu eins mit der Antike fühlten, ist die Kluft, die uns von Griechen und Römern trennt, längst unübersehbar. Christian Meier hat deshalb schon vor vierzig Jahren die Antike als das «nächste Fremde» der modernen Gesellschaften bezeichnet: Sie führt uns ganz andere Lebensformen vor Augen, die aber doch ähnlich genug sind, um Maßstäbe des Vergleiches mit der Gegenwart zuzulassen. Für eine bloße Exotik, mit anderen Worten, ist die Antike zu nah.
    Dabei spielen die politischen Ordnungen Athens und Roms, die Polis und die Republik, in der heutigen Antikenrezeption nicht einmal die Hauptrolle. Das ist in den letzten Jahrhunderten, seit der Wiederentdeckung der Antike im Spätmittelalter, kaum jemals anders gewesen. Zumal die athenische Demokratie hat ihren wichtigen Platz und ihre weithin positive Bewertung in der europäisch-westlichen Erinnerung sogar erst in jüngerer Zeit eingenommen: im 20. Jahrhundert und besonders nach 1945. Insofern sind die politischen Ideale der Antike nicht verblasst, sondern eher noch näher gerückt. Gleichzeitig ist das Bewusstsein für die fundamentale Differenz zwischen antiken und modernen Gesellschaften gewachsen. Politische Systeme werden in ihrem sozialgeschichtlichen Kontext verstanden – und hier tut sich ein weiter Abstand zu den frühen Hochkulturen des Mittelmeerraums vor zwei- bis dreitausend Jahren auf. Trotz entwickelter Handelsbeziehungen beruhte ihre Wirtschaft nicht auf

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