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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Ausstrahlung auf die westeuropäische und nordatlantische Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert, zumal auf die Amerikanische Revolution.
    Mit der Renaissance etablierte sich überhaupt ein Spannungsverhältnis zwischen Antike und Moderne. Einerseits betonte man die Kontinuität und das Vorbild der Antike, aus der Lehren für die Gegenwart zu ziehen seien, auch für die Gestaltung politischer Herrschaft. Andererseits wuchs das Selbstbewusstsein einer «Moderne» und eines «modernen» Menschen – auch diese Begriffe kamen bereits auf, als man in Frankreich am Ende des 17. Jahrhunderts in der «Querelle des anciens et des modernes» über den Wert der Antike für die Gegenwart und die Vorzüge des einen oder anderen stritt. Um Demokratie ging es dabei jedoch nicht. In England dagegen etablierte sich der Begriff wieder in den Debatten, als im Zuge von Revolution und Bürgerkrieg die von Aristoteles, Polybios und anderen entwickelte «gemischte Verfassung» plausibel wurde: mit Elementen der Monarchie, der Aristokratie und eben der Demokratie, die sich institutionell im Unterhaus des englischen Parlaments abbildete. Die Stoßrichtung ging gegen den Absolutismus, auch ein Jahrhundert später in den britischen Kolonien in Nordamerika. Die Mischverfassungstheorie mit ihrem Plädoyer für demokratischeAnteile, der oft auf Machiavelli sich berufende «Klassische Republikanismus» und die liberale Vertragstheorie eines John Locke vermischten sich hier und befeuerten antikolonialen Widerstand und schließlich die Revolution.
    Die Amerikanische und erst recht die Französische Revolution erstrebten keine politische Rückkehr in die Antike, aber sie bezogen einen wichtigen Teil ihres Pathos, ihrer revolutionären Emphase aus klassischen Vorbildern, wobei die römische Republik eindeutig vor der griechischen Polis kam. Während in der Amerikanischen Revolution eher die Moderaten in die Vergangenheit blickten und die Radikalen einen Neuanfang jenseits der Klassik machen wollten, waren es in Frankreich eher die Radikalen, nämlich die Jakobiner um Robespierre, die den Kult des Klassisch-Römischen betrieben, vor allem in der Überhöhung ihres Strebens nach einer tugendhaften Republik. Auch in Nordamerika gaben sich die Autoren politischer Abhandlungen und Flugblätter gern Pseudonyme, die an die Gefährdung der römischen Republik und den selbstlosen Einsatz für deren Schutz gegen die Usurpation erinnern sollten: «Cato» oder «Cincinnatus», «Agrippa» oder «Brutus» – der Mörder Cäsars galt ihnen also als Held des Widerstands gegen die Diktatur. Doch was die Gestaltung einer republikanischen Verfassung anging, setzte sich das Motiv einer Neubegründung, einer dezidierten Abstoßung der antiken Vorbilder immer mehr durch. Thomas Paine wandte sich Anfang 1776, in seinem weit verbreiteten Pamphlet «Common Sense», schneidend scharf gegen diejenigen, die zwischen einer autonomen Gesellschaft und der Regierung keinen Unterschied machen würden – das war gegen das antike Ideal einer Polis-Bürgerschaft gemünzt, in der eine Sphäre autonomer Individuen nicht unabhängig von der Politik existieren konnte. Gut zehn Jahre später versuchten die «Federalist Papers» zu zeigen, warum eine Republik als Repräsentativverfassung auch in einem großen Flächenstaat bestehen könne, während die «reine Demokratie» nur bei direkter Mitwirkung der Bürger in einem Stadtstaat denkbar sei – und deshalb nicht zukunftsfähig.
    Es war kein Zufall, dass sich in der deutschen Antikenrezeption zwischen Aufklärung und Liberalismus, im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, der idealisierende Blick mehr ins klassische Griechenland als nach Rom wandte. Die republikanischen Assoziationen wurden abgewehrt; die Griechen aber dienten mehr als kulturelles denn als politisches Vorbild: als Orientierungsmaßstab für Ästhetik und Bildung. Aber der griechische Aufstand gegen die türkische Herrschaft im Jahre1821 führte im restaurativen Klima des Deutschen Bundes immerhin zu einer frühliberalen Begeisterung, bei der sich Sympathie für die modernen Griechen mit eigenen Freiheitshoffnungen und antiken Reminiszenzen verknüpfte. Aber wo die deutschen Liberalen in der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848/49 an die Geschichte appellierten, sprachen sie meist

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