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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Mitbestimmung, um Finanz- und Steuerhoheiten: ähnlich wie in der Englischen und in der Amerikanischen Revolution. Seit dem 17. Jahrhundert, besonders unter Ludwig XIV., hatte das Königtum seine Stellung zu dem ausgebaut, was man bis heute eine «absolute Monarchie» nennt, losgelöst (lat. «absolutus») von Gesetzen und anderen mitregierenden Kräften. Die Generalstände waren 1614 zum letzten Mal zusammengetreten. Am Ende der 1780er Jahre wuchs der Druck auf Ludwig XVI., und er berief die Generalstände für 1789 wieder nach Versailles ein. Schon die Wahlen der Vertreter des «Dritten Standes» – neben dem Adel und dem Klerus – im Frühjahr 1789 mobilisierten die Bevölkerung auf neue Weise; Sorgen und Forderungen wurden in Beschwerdeheften, den «cahiers des doléances», formuliert. Mobilisierung und Politisierung schufen dieVoraussetzungen für eine Revolution, die in den folgenden Jahren, vor allem bis 1794, das ganze Land erfasste, auch wenn das Zentrum in Paris und Versailles blieb.
    Dort beschleunigten sich die Ereignisse im Frühsommer 1789, seit der Eröffnung der Generalstände am 5. Mai, auf ungeahnte Weise. Die knapp 600 Vertreter des Dritten Standes waren mit großem Selbstbewusstsein angereist. Schon im Januar hatte der Abbé Sieyès in einer flammenden Schrift den Anspruch erhoben, der Dritte Stand sei die eigentliche und einzige Vertretung Frankreichs. Am 17. Juni erklärten sich dessen Abgeordnete tatsächlich zur «Nationalversammlung», zogen aus den Generalständen aus und schworen drei Tage später im Ballhaus, erst wieder auseinanderzugehen, wenn sie dem Land eine neue Verfassung gegeben hätten. In einer langen Kette dramatischer Ereignisse war das der vielleicht wichtigste «demokratische Moment» der Französischen Revolution. Eine Vorstellung von einer einheitlichen politischen Nation war entstanden; das Volk dieser Nation hatte sich Souveränität angemaßt, auch wenn diese noch mit dem König geteilt wurde. Das Gesetz des Handelns lag jedenfalls in der Nationalversammlung, also in einem Parlament, dessen Vertreter sich als Repräsentanten des ganzen Volkes verstanden. Noch einmal knapp drei Wochen später, am 9. Juli, definierte sich dieses Parlament als eine Verfassunggebende Versammlung, was die Zäsur einer neuen Ordnung noch unterstrich, und machte sich an die Ausarbeitung einer geschriebenen Konstitution.
    So war die Französische Revolution, wie die Amerikanische, noch nicht im modernen Sinne eine Revolution für die Demokratie. Der Begriff der Demokratie spielte nur eine sehr untergeordnete Rolle gegenüber Leitkonzepten wie Nation und Volk, Freiheit und Verfassung; später Republik. Aber die Revolution schuf doch, in mehrfacher Hinsicht, entscheidende Grundlagen für das moderne Verständnis von Demokratie, für ihre Institutionen, und auch für eine demokratische Gesellschaft. In den eng verknüpften Ideen der Nation und des Volkes schien ein neuer Universalismus auf, der von abgestuften Rechten und Freiheiten einzelner Stände nichts mehr wissen wollte. Die Grenzen der Inklusion blieben vor allem an der Geschlechterlinie unübersehbar. Doch ab sofort konnten die Grenzen an dem Anspruch gemessen werden. Und das Wahlrecht zum Konvent, dem republikanischen Parlament der Jahre 1792 bis 1795, stand allen erwachsenen Männern ab 21 Jahren, ohne jede Abstufung oder Besitzklausel, zu. Der neue Begriff derNation wurde nicht zuletzt in den Kriegen praktisch, die das revolutionäre Frankreich seit 1792 gegen seine europäischen Gegner führte: Es waren neuartige Volkskriege, für die nicht der König ein Heer zusammenstellte, sondern in denen sich die Nation, in ihrer «levée en masse», selbst bewaffnete und verteidigte.
    Zur Demokratie drängte, in mehreren Stufen, auch die Verfassungsordnung: zunächst in der Einhegung der absoluten Monarchie durch eine Volksvertretung, durch ein parlamentarisches Gegenüber. Dann in dem Versuch, der neuen Konstellation eine verbindliche schriftliche Grundlage zu geben. Die am 3. September 1791 schließlich verabschiedete Verfassung machte Frankreich zu einer «konstitutionellen Monarchie» (der Begriff wurde aber erst im frühen 19. Jahrhundert üblich). Nur ein knappes Jahr später fegten der Unmut des Volkes im Tuileriensturm und die radikalen Kräfte des Parlaments

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