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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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forderten Freiheit, Grundrechte und politische Beteiligung in ihren Heimatstaaten, ob das Bayern, Baden oder Preußen war, und trugen schwarz-rot-goldene Farben für die Idee eines freiheitlichen Nationalstaates. Trotz neuer Unterdrückung gewann diese liberale Opposition weiter Zulauf; ein Teil von ihr spitzte ihre Forderungen zu und zielte auf Demokratie oder sogar auf erste Ideen eines Sozialismus.Später sprach man vom «Vormärz», also der Zeit der politischen Bewegung, die in den März 1848 hineinführte. Schon die Zeitgenossen erlebten und erhofften die 1830er und 1840er Jahre, mit gesamteuropäischem Bewusstsein, als einen «Völkerfrühling».
    Was aber machte die Revolution von 1848/49 zu einer demokratischen? Lange Zeit nannte man sie eher eine «bürgerliche Revolution». Aber das blendete entweder die soziale Vielfalt der Ereignisse aus, an denen eben nicht nur Bürger, sondern auch Bauern, Handwerker, Arbeiter teilnahmen. Oder es bezog sich, im Sinne der marxistischen Geschichtstheorie, auf die Stufe eines vermeintlich festgelegten historischen Prozesses, der irgendwann die proletarisch-kommunistische Revolution folgen würde. Die 1848er Revolution war nicht demokratisch, weil sie eine Demokratie errichtete: Das gelang nicht; es war für die Mehrheit noch nicht einmal das Ziel. Einen gewaltigen Schub der Demokratisierung bewirkte diese Revolution zunächst – ganz ähnlich wie ihre großen Vorgänger im späten 18. Jahrhundert – im politischen Prozess, in der politischen Teilhabe breiter Schichten der Bevölkerung. Es war kaum mehr möglich, sich nicht für Politik zu interessieren. Man las Flugblätter und Zeitungen, die wie Pilze aus dem Boden schossen, diskutierte im Wirtshaus und schloss sich in politischen Vereinen zusammen. Man nahm Kontakt auch über weite Entfernungen auf, schrieb Briefe, reiste zu Versammlungen und Parlamenten, teils schon mit der Eisenbahn. Man ereiferte sich in Wahlkämpfen, unterstützte emphatisch «seinen» Abgeordneten – und man bezog Stellung, ordnete sich einem politischen Lager, einer Parteirichtung zu: als «konstitutioneller», gemäßigter Liberaler; als Demokrat; auch als Konservativer, denn die Anhänger der alten Monarchie und Gegner von Volksherrschaft und Freiheit mussten sich ebenfalls in ganz neuer Weise im Volk Unterstützung suchen. Zwar gab es Vorläufer solcher Richtungen und Organisationen seit den 1830er Jahren, aber erst die Revolution gab der Parteibildung einen entscheidenden Schub, überregionale Vernetzung und prägte ein Grundmuster des deutschen Parteiensystems, das bis in die Weimarer Republik Bestand hatte.
    Demokratisch waren sodann Forderungen und Institutionen von 1848/49. In den «Märzforderungen» erschien ein immer wieder variierter Katalog des Verlangens nach bürgerlichen und politischen Rechten (Abschaffung der Zensur, Versammlungsfreiheit) und nach einer Mitbestimmung des Volkes in Parlamenten. Beides, Freiheitsrechte und Mitregierung, sollte durch geschriebene Verfassungen abgesichert werden,wie sie einige Einzelstaaten – Baden, Bayern oder Hessen – schon besaßen, nicht aber Preußen und Österreich. In einem freiheitlichen deutschen Einheitsstaat sollte die Enge und Gängelung der monarchisch-bürokratischen Herrschaft überwunden werden. Mit diesen Stichworten lässt sich der Minimalkonsens, der im weiteren Sinne demokratische Horizont der Revolution von 1848/49 umreißen.
    In der Frankfurter Paulskirche begann im Mai 1849 die Arbeit an diesem Projekt auf der nationalen Ebene. Das erste deutsche Parlament (nicht: das erste moderne Parlament in Deutschland!) war ein Meilenstein der Demokratiegeschichte. Es beruhte auf freiem und gleichem Wahlrecht (fast) aller Männer und entwickelte eine lebhafte Debattenkultur auf hohem Niveau, denn ihm gehörten führende Professoren und Journalisten, Anwälte und Kaufleute aller liberalen und demokratischen Strömungen an. Die Nationalversammlung in der Paulskirche war kein «regierendes» Parlament, sondern eine Konstituante, eine verfassunggebende Versammlung (wie 1919 die Weimarer Nationalversammlung). Ihre Arbeit an einer gesamtdeutschen Verfassung begann sie, wie in Frankreich 1789, mit den Grundrechten, die nach langer Beratung schließlich Ende Dezember 1848 verkündet wurden. Zu diesem Zeitpunkt war die Revolution an

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