Was ist Demokratie
anderen Stellen schon ins Stocken geraten oder, wie in Wien, mit Gewalt niedergeschlagen worden. Dort erschoss das Militär am 9. November Robert Blum, einen Abgeordneten der Paulskirche und führenden Vertreter der Demokraten.
Blum war eine Symbolfigur und stand für die engere Bedeutung der Demokratie in der Revolution von 1848/49. Denn als Demokraten bezeichneten sich damals diejenigen, denen die Positionen der Liberalen nicht entschieden genug waren: im Hinblick auf die Rechte des Volkes und auf die Kritik am Königtum. Liberale (Konstitutionelle) und Demokraten bildeten, wiederum in vielen Schattierungen, die beiden wichtigsten Parteien in der Revolution, aber nur hier und da, und kaum in der Paulskirche, gewannen die Demokraten die Oberhand. Wie ihre Konkurrenten organisierten sie sich in Vereinen, die oftmals «Volksvereine» hieÃen, und schufen mit dem «Centralmärzverein» sogar eine nationale Dachorganisation, die von einer modernen Parteizentrale jedoch noch weit entfernt war. Die soziale Basis beider Parteien überlappte sich, doch fanden die Demokraten oder «Radikalen», wie sie mancherorts auch hieÃen, ihre Anhänger mehr im Kleinbürgertum als in der Oberschicht, und ihre parlamentarischen Spitzen mehr im Bildungs- als im Besitzbürgertum.
Im Mittelpunkt ihrer Vorstellungen stand die Volkssouveränität, im Gegensatz zu der von den Liberalen akzeptierten Teilung der Herrschaft mit der Monarchie. Für die ganz entschiedenen Demokraten konnte deshalb nur eine Republik als Staatsform in Frage kommen; für andere war auch ein schwacher, eher repräsentativer König oder deutscher Kaiser vorstellbar. Als der preuÃische König Ende April 1849 die ihm von der Nationalversammlung schlieÃlich angetragene Kaiserkrone hochmütig ablehnte, erhoben sich die republikanischen Strömungen im Mai und Juni zu einer letzten, verzweifelten Kraftanstrengung. In Baden existierte für wenige Wochen sogar eine, wenngleich fragile und militärisch bedrängte, Republik: die erste moderne deutsche Republik in einem Flächenstaat (also abgesehen von den alten Stadtrepubliken und von der Mainzer Republik 1792), die in der Erinnerung bis heute fast vollständig verdrängt wurde.
Mit den Republikanern wiederum überlappten sich die Anfänge von Arbeiterbewegung und sozialer Demokratie. Eine Wirtschaftskrise mit Hunger auf dem Lande und Arbeitslosigkeit in groÃen Städten wie Berlin war der Revolution seit 1846/47 unmittelbar vorausgegangen und hatte sie zugleich befeuert. Das Ende der Feudalgesellschaft im Süden Deutschlands und der Beginn der Industrialisierung überschnitten sich; in Köln schrieb Karl Marx für die «Neue Rheinische Zeitung» und begann seine Partnerschaft mit dem Wuppertaler Fabrikantenspross Friedrich Engels â 1848 veröffentlichten sie das «Kommunistische Manifest». Aber nicht in Ketten liegende Fabrikarbeiter, sondern durchaus selbstbewusste Handwerksmeister und -gesellen prägten die sozialen Forderungen in der Revolution. Man organisierte sich, traf sich auf Kongressen und diskutierte Forderungen wie den Schutz vor der neuen Fabrikindustrie oder eine progressive Einkommensteuer. Die Schnittmenge mit den bildungsbürgerlichen Linksliberalen und Demokraten war groÃ, auch wenn «bürgerliche» und «proletarische» Demokratie in Deutschland früher und klarer als anderswo (z.B. in England) unterschiedliche Wege gingen, definitiv seit Mitte der 1860er Jahre.
Auch die Anfänge der deutschen Frauenbewegung liegen in der Revolution von 1848/49, auch wenn es vorerst nur eine kleine Minderheit war, die sich engagierte. Louise Otto gab in Sachsen eine eigene Frauenzeitung heraus unter dem Motto «Dem Reich der Freiheit werb ich Bürgerinnen». Die volle politische Teilhabe von Frauen, insbesondere das Frauenstimmrecht, war höchstens ein Fernziel, aber der Anspruch war erhoben, Frauen als Bürgerinnen in die freie politische Gesellschafteinzubeziehen. Anders gesagt: So verstand sich auch die Frauenbewegung als Teil des Strebens nach Demokratie.
Die groÃen Ziele der Revolution und der demokratischen Bewegungen in ihr aber wurden nicht erreicht. Die Reichsverfassung der Paulskirche konnte trotz heftiger Bemühungen in der Pfalz, Baden und Sachsen nicht in Kraft gesetzt werden, erst recht gab es keinen konstitutionellen deutschen Einheitsstaat. Deshalb bezeichnet man
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