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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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demokratischen Dissidenz. Während in den Einzelstaaten das Prinzip dynastischer «Legitimität»die Monarchie festbetonierte und die Volkssouveränität abzuwehren versuchte, projizierten sich Sehnsüchte freiheitlicher Verfassung auf einen neu zu schaffenden Nationalstaat. Zwar schwang im deutschen Nationalismus seit der Herrschaft Napoleons immer auch ein Element des Franzosenhasses und der Arroganz mit; Schriftsteller wie Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn machten das populär. Aber von 1830 über die Revolution bis in die 1860er Jahre stand das Streben nach innerer Befreiung im gemeinsamen Bewusstsein eines deutschen Volkes, und zunehmend das Streben nach einem gemeinsamen Verfassungsstaat, ganz im Vordergrund. Insofern waren die Ähnlichkeiten mit Frankreich größer: Die Französische Revolution hatte ja mit der Nationsidee die Monarchie ausgehebelt und ein einheitliches «Volk» an die Stelle der Ständegesellschaft gesetzt.
    Noch enger war das Bündnis von Nationalismus und Demokratie überall dort, wo Menschen, die sich als Völker und Nationen begriffen, am Rande großer Monarchien oder Imperien gegen die Fremdbestimmung aus einer fernen Herrschaftszentrale aufbegehrten. Schon im späten 16. Jahrhundert entstand die niederländische Republik aus dem Unabhängigkeitskampf gegen die spanische Habsburgermonarchie. Zwei Jahrhunderte später begehrten die nordamerikanischen Kolonien gegen das britische Empire auf. Ihre Bewohner verstanden sich nicht mehr als Engländer, sondern als Amerikaner; sie wollten sich selbst regieren und gründeten dafür die Republik der USA. Dieses Vorbild wiederum ermunterte die Untertanen des spanischen Mittel- und Südamerika am Anfang des 19.Jahrhunderts, angeführt von Simon Bolivar, ihre Unabhängigkeit in eigenen Republiken zu suchen. Brauchte es dafür Nationsidee und Nationalismus? Man benötigte jedenfalls eine Vorstellung von Zusammengehörigkeit und gemeinsamem politischen Auftrag. Als Nationalismus verfestigte sich diese Idee oft erst (wie auch im Falle der USA) lange nach der Unabhängigkeit. Und warum war das Streben nach Unabhängigkeit in den Randzonen, an der «Peripherie» von monarchischen Reichen demokratisch? Die Abneigung gegen die Monarchie wurde prinzipiell, so dass meist eine Republik das Resultat war. Die Mobilisierung des Volkes sowie der Freiheitsgedanke ließen sich – das zeigen fast alle historischen Beispiele – nicht auf den äußeren Feind beschränken, sondern zogen den Anspruch auf innere Freiheit und Selbstbestimmung fast unweigerlich nach sich.
    Im 19. und 20. Jahrhundert schwappte diese Welle wieder nach Europa: im Aufbegehren der Polen gegen Russland 1830, und vor allemim österreich-ungarischen Habsburgerreich, das schon 1848 unter dem Nationalismus und Freiheitsbegehren der Ungarn und Tschechen fast zerriss. Aber erst mit dem Ende des Ersten Weltkriegs entstanden demokratische Staaten aus der Erbmasse des zerfallenen Reiches. Sie waren auch deshalb nicht stabil, weil sie große Minderheiten anderer Völker und Sprachen einschlossen, wie die Rumänen in Ungarn, die nun ihrerseits von den zuvor Unterdrückten geknebelt wurden; oder weil sie, wie in Jugoslawien oder der Tschechoslowakei, mehrere Nationen in einen Staat zusammenfassten. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte Indien erfolgreich seine Unabhängigkeit vom schrumpfenden Britischen Empire und etablierte sich bis heute als die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt. Einen Sonderfall stellt Israel dar, dessen demokratische Staatsgründung ebenfalls ganz wesentlich in einem besonderen Nationalismus, dem Zionismus, wurzelte.
    Aber man darf die Verschwisterung von Nationalismus und Demokratie nicht einseitig sehen oder idealisieren. Denn nicht nur die Peripherie, sondern auch das Zentrum hatte «seinen» Nationalismus, der sich häufig als arroganter oder aggressiver Mehrheitsnationalismus gegen Minderheiten, gegen Selbstbestimmung, Demokratien und Freiheit richtete. Der Nationalismus im deutschen Kaiserreich mit seiner vehementen Frontstellung vor allem gegen die polnische Minderheit im Osten Preußens, die einer Germanisierungspolitik unterworfen wurde, ist dafür ein sprechendes Beispiel. Das Zarenreich kultivierte einen großrussischen Nationalismus gegenüber nationalen Minderheiten und Nachbarvölkern, den die Sowjetunion unter kommunistischem

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