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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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von Regierung häufig die ideale Verfassung gesehen: sie sollte Elemente der Monarchie (also der Herrschaft eines Einzelnen), der Aristokratie (Wenige, bzw. die «Besten») und der Demokratie verbinden. Dieser Gedanke wurde von Kritikern des Absolutismus im 17. und 18. Jahrhundert gerne aufgegriffen und häufig auf die englische Verfassung mit ihrer Dreiteilung von König, Oberhaus und Unterhaus projiziert. Er stand den Machern der amerikanischen Verfassung 1787 klar vor Augen, als sie das Zusammenspiel und die gegenseitige Kontrolle von Präsident, Senat und Repräsentantenhaus entwarfen. Der «aristokratische» Senat sollte die demokratischen Leidenschaften des Volkes in der anderen Parlamentskammer zügeln. Aus dem demokratischen Drittel der Verfassung wurde eine Dreiteilung innerhalb der Demokratie.
    Darüber aber schob sich gleichzeitig der Dreiklang Montesquieus, also unter Einschluss der Judikative, der richterlichen Gewalt. So sah die amerikanische Verfassung einen «Supreme Court» vor, an dessen Vorbild sich auch die Errichtung des Bundesverfassungsgerichts seit 1949 orientierte. So gibt es zwar einerseits eine besonders enge Verbindung zwischen Demokratie und Gerichtsbarkeit. Andererseits ist die Judikative, demokratietheoretisch gesehen, der hinkende Fuß der Gewaltenteilung. Denn sie gründet sich, jedenfalls im kontinentaleuropäischen Verständnis, nicht auf unmittelbare demokratische Legitimation. Vielmehr steht die Unabhängigkeit der Gerichte, auch ihre Professionalität, im Vordergrund, und beides könnte gefährdet sein, wenn man die Richter vom Volk, oder sogar aus der Mitte des Volkes, wählen ließe. In England und den USA ist das aber ganz anders. Das Wahlrichtertum in Geschworenen- oder Jury-Gerichten hat dort lange Tradition und zählt zu den selbstverständlichen und unverzichtbaren Elementen von Demokratie. So sind zum Beispiel die Gerichtsgebäude in Amerika oft symbolische Mittelpunkte ihrer Stadt oder Region und signalisieren weniger die Staatsgewalt (wie in Deutschland) als die Volks- und Gesetzesherrschaft. Auch in Deutschland gehörte das längere Zeit zu den Kernforderungen der demokratischen Bewegung, besondersim Vormärz und in der Revolution von 1848/49. In deren Vorfeld forderte das «Offenburger Programm» im Herbst 1847 «Gesetze, welche freier Bürger würdig sind und deren Anwendung durch Geschworenengerichte. Der Bürger werde von dem Bürger gerichtet.» Diese Gestalt der judikativen Demokratie lebt immerhin noch in der Schrumpfform von Laienrichtern, z.B. von Schöffen an Amtsgerichten, fort.
    Zugleich ist die Judikative jedoch, als eine unabhängige Gerichtsbarkeit, der praktisch wichtigste Einzelbaustein der klassischen Gewaltenteilung. Denn die beiden anderen Gewalten, Legislative und Exekutive, sind viel enger miteinander verflochten, zumal in einem parlamentarischen Regierungssystem wie dem Großbritanniens. Daran sieht man, dass unterschiedliche Prinzipien der Demokratie, aus historischer Herkunft ebenso wie in theoretischer Perspektive, miteinander in Konflikt geraten können. Denn die Parlamentsregierung ist nicht einfach ein Defizit der Demokratie, weil sie die Gewaltenteilung verletzt, sondern gerade ein besonderer Ausdruck der Volkssouveränität gegenüber der monarchischen Regierung, oder gegenüber einem (wie in Frankreich) vom Präsidenten ernannten Premierminister. Man spricht deshalb heute manchmal eher von «Gewaltenverschränkung» als von Gewaltenteilung. Oder man sieht Parlament und Regierung in dem engen Zusammenhang, den sie de facto auch in der Bundesrepublik bilden, wo das Kabinett Gesetzesvorlagen berät, ehe sie in den Bundestag kommen. Davon unterscheidet man dann die vollziehende und ausführende Gewalt im Sinne der nachgeordneten Verwaltungsbehörden, die im bürokratischen Rechtsstaat ein erhebliches Eigengewicht gewonnen haben. Gelegentlich wird die klassische Gewaltenteilung auch als eine «horizontale» bezeichnet, weil sie sich auf derselben Ebene (in der Regel des Nationalstaates) abspielt. Quer dazu steht dann eine «vertikale» Gewaltenteilung: Mit ihr sind die verschiedenen Stufen der Demokratie besonders in einem föderalen, nicht zentralistisch organisierten Staatsgebilde gemeint. Die Amtsträger auf lokaler und regionaler Ebene, also die Bürgermeister, Regional- oder Ministerpräsidenten, werden nicht von

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