Was ist koscher - Jüdischer Glaube
ein Minjan, also eine Zehner-schaĞ an betenden Juden, zusammenkomme, senke sich die Schechinah über sie herab und sei damit sozusagen auf Erden erneut anwesend. Das Gebet, die Versammlung erhalte dadurch eine weitere Dimension, die das Einzelgebet niemals haben könne.
Diese Idee haĴ e natürlich auch eine soziale Funktion. Man wollte vermeiden, dass das Volk sich im Exil völlig zerstreut.
Durch diese Neuinterpretation der göĴ lichen Präsenz auf Erden waren die jüdischen Flüchtlinge gezwungen, zusammen-zubleiben. Sie mussten also in der Fremde stets Gemeinden bilden, um GoĴ nicht zu verlieren. Eine sehr weise Entscheidung der Gelehrten, die wesentlich zum Überleben des Judentums bis in die heutige Zeit beigetragen hat.
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Die Gebete sind im Siddur, im Gebetbuch für jeden Tag, oder in einem Machsor, einem speziellen Gebetbuch für einen bestimmten Feiertag, festgehalten. Siddur bedeutet
»Ordnung«, denn die GoĴ esdienste sind nach einer genauen Ordnung, die die Rabbinen vor mehr als 2000 Jahren festleg-ten, abzuhalten. Dabei bemühten sie sich, den Tempel- und Opferdienst in eine abstrakte Form, in die des reinen Gebets, zu transformieren. Doch der Siddur ist nicht starr. Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer wieder neue Gebete aufgenommen, die nicht nur große Rabbiner ihrer jeweiligen Zeit geschrieben haben und die in den gültigen Kanon Ein-lass fanden. Im Wesentlichen ist die Gebetsordnung jedoch seit ewigen Zeiten fast unverändert. Im liberalen Judentum wurden in den vergangenen Jahren einige einschneidende Veränderungen vorgenommen, die Gebetbücher haben vieles weggelassen, was im orthodoxen Gebet weiterhin vorhanden ist, neue Gebete wurden entwickelt. Die vielleicht einschneidendste Entscheidung des liberalen Judentums ist jedoch, den GoĴ esdienst teilweise, oder mancherorts sogar ganz, in der jeweiligen Landessprache abzuhalten und nicht mehr ausschließlich auf Hebräisch. Der Vorteil: Viele Juden in der Diaspora, die kaum noch Hebräisch können, sind froh, in ihrer MuĴ ersprache zu beten und somit zu wissen, was sie überhaupt sagen. Der Nachteil: Es war stets ein Vorteil für die Juden, dass ein Jude aus Moskau ohne weiteres in eine Synagoge in Kapstadt gehen und mit der GemeinschaĞ beten konnte. Wenn Juden also nicht mehr auf Hebräisch beten, einer Sprache, der Heiligkeit zugesprochen wird, weil sie die Sprache der Thora ist und weil sie natürlich zahlreiche Worte und Wendungen hat, die in keine andere Sprache zu transportieren sind, dann verlieren sie nicht nur wesentliche spirituelle Aspekte des Gebets, sondern sie verlieren auch das 63
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einigende Band, das Juden bis heute immer zusammengehalten hat, die gemeinsame Sprache.
Zurück zum Gebetbuch. Nach dem orthodoxen Ritus dauert das Morgengebet etwa eine Stunde, NachmiĴ ags- und Abendgebet insgesamt etwa eine Dreiviertelstunde. An den hohen Feiertagen und am Schabbat wird nach dem Morgengebet noch eine zusätzliche Gebetsanordnung, das Mussafgebet, angeschlossen. Das hängt mit dem zusätzlichen Opferdienst im Tempel an diesen Tagen zusammen. Die Gebetsdauer an den Feiertagen ist unterschiedlich. Jom Kippur dauert einen ganzen Tag, an Pessach dauert ein Schacharith- und Mussafgebet etwa vier Stunden.
Dreimal in der Woche, montags, donnerstags und am Schabbat, wird während des MorgengoĴ esdienstes der jeweilige WochenabschniĴ aus der Thora vorgelesen. Auch an allen Feiertagen werden spezielle AbschniĴ e aus der Thora vorgetragen. Während eines Jahres wird somit die gesamte Thora, das heißt es werden alle »Fünf Bücher Moses« in der GemeinschaĞ gelesen.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich in den unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Gebetsfolgen entwickelt. Der Kern eines jeden Siddurs ist jedoch identisch. Manchmal aber ist die Reihenfolge ein wenig anders, in manchen Gemeinden hat man zusätzliche Texte aus der Thora oder Psalmen eingefügt, die in anderen Gemeinden fehlen.
Man unterscheidet zwei wesentliche Gebetsordnungen: Den aschkenasischen Ritus der deutschen und europäischen Juden, der beeinfl usst wurde von den Lehren der großen Weisen in Israel, und den sefardischen Ritus der spanischen und orientalischen Juden, der sich an die Anweisungen der 64
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Gelehrten aus Babylonien hält. Daneben gibt es ein paar Varianten. Die osteuropäische
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