Was ist koscher - Jüdischer Glaube
selbstverständlich, die Hakafot auf den Straßen, um die Synagoge herum, zu begehen. In der Diaspora war das über fast zwei Jahrtausende hinweg lebensge-fährlich, doch inzwischen hat es sich in den großen jüdischen Zentren der Welt eingebürgert, die Synagogen für die Hakafot zu verlassen und ebenfalls im Freien zu tanzen und zu singen.
In New York werden an diesem Tag ganze Straßenzüge für den Verkehr gesperrt, auch in Paris ist dieser Brauch längst wieder Tradition, ebenso in London. Und erst kürzlich, vor einigen Jahren, konnte der Rabbiner von Prag seine Gemeinde überreden, vor die Altneuschul, die älteste noch existierende Synagoge Europas, zu ziehen und unter freiem Himmel die Freude über das Wort GoĴ es auszudrücken.
Viele nichtjüdische Nachbarn und Touristen fi nden großes Gefallen an diesen Umzügen, ist es für sie doch eine einmalige Gelegenheit, etwas vom lebendigen Judentum mitzube-kommen und das Judentum nicht immer nur mit dem Holocaust zu assoziieren. Bei uns in Deutschland ist dieser Brauch leider noch keine Alltäglichkeit. Es gibt nach wie vor zu viele Bedenken. Leider off ensichtlich zu Recht.
Sind diese Umzüge vorbei, kommt schließlich der liturgische Teil des Feiertags zu seinem Recht. Die Thorarollen werden an verschiedene Stellen der Synagoge gebracht und geöff net. Alle Gemeindemitglieder werden parallel, in mehreren Lesungen, die jetzt nebeneinanderher laufen, aufgerufen, damit sie den Segensspruch über die Thora sprechen können und die Vorleser den letzten AbschniĴ des fünĞ en Buches 249
PюѢљ Sѝіђєђљ
WюѠ іѠѡ јќѠѐѕђџӓ
Moses zu Ende lesen können. Dann wird die Thora unter großem Jubel wieder an ihren Anfang gerollt, und mit der Lesung wird wieder von vorn begonnen: »Im Anfang schuf GoĴ den Himmel und die Erde. Die Erde aber war bloß und bar, und Dunkel lag über dem Grund, und GoĴ es Windhauch wehte über die Wasser ...«
Vor allem Kinder ruĞ man bei dieser Gelegenheit auf. Sie sind sowieso der MiĴ elpunkt der GemeinschaĞ sfeier. Am Abend von Simchat Thora erhalten sie Fahnen mit Kerzen und einem so genannten Pecklech, einem kleinen Päckchen mit Sü-
ßigkeiten, Nüssen und Obst. So soll ihnen die Süße der Thora beigebracht werden. Und viele der Kleinsten haben winzig kleine Kinderthoras, die sie vor den Erwachsenen bei den Hakafot herumtragen, ebenso fröhlich und stolz singend und tanzend wie ihre Väter.
Und so endet die Zeit der Hohen Herbstfeiertage. Mit viel Freude und mit dem erneuten Beginn einer Lesung der gesamten Thora. Die Introspektion, die Refl exion, die Umkehr hat staĴ gefunden. Das neue Jahr hat begonnen. Draußen wartet das Leben mit all seinen Überraschungen.
250
PюѢљ Sѝіђєђљ
WюѠ іѠѡ јќѠѐѕђџӓ
Feiern Juden Weihnachten?
Wenn draußen leise der Schnee rieselt, die Menschen durch die matschigen Straßen eilen, um noch schnell Geschenke für ihre Liebsten zu kaufen, wenn die Tannenbäume daheim von der ganzen Familie prächtig geschmückt werden und viele Gänse ihr Leben lassen müssen, um einen prächtigen FesĴ agsbraten abzugeben, bleiben Juden, scheinbar, abseits.
Denn wir feiern nicht die Geburt Jesu. Jesus ist für uns weder GoĴ es Sohn noch der Heiland, Jesus ist für uns nichts anderes als – ein Jude. Denn das war er, genauso wie ich, wie wir alle.
Ein revolutionärer Jude vielleicht, dem das saĴ e Priestertum des Tempels seiner Zeit auf die Nerven ging, der sah, dass die PriesterschaĞ nicht mehr GoĴ , sondern ihren eigenen materi-alistischen Bedürfnissen diente.
Jesus war ein goĴ esfürchtiger Jude, der selbst in seiner
»revolutionären« Bergpredigt nichts wirklich Revolutionäres von sich gab – er erinnerte einfach nur an die grundlegenden ethischen Gedanken des Judentums. »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!«, dieses Wort Jesu ist ein Zitat aus der Thora. Und wenn Antisemiten und Gegner des Judentums noch tausendmal den Unterschied zwischen Judentum und Christentum mit diesem Satz zu belegen versuchen, wenn sie noch tausendmal betonen, der GoĴ des »Alten Testaments« sei ein rachsüchtiger GoĴ , der GoĴ des »Neuen Testaments« dagegen ein liebender, sie haben nicht Recht und beweisen lediglich, dass sie die jüdische Bibel nicht kennen, zu der Jesus, wie bekannt sein müsste, kein Jota hinzufügen oder wegnehmen wollte. Und sie scheinen auch ihre eigene Glaubensgeschich-te nicht zu kennen, denn nicht Jesus, sondern Paulus hat das Christentum
Weitere Kostenlose Bücher