Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was ist mit unseren Jungs los

Was ist mit unseren Jungs los

Titel: Was ist mit unseren Jungs los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Guggenbuehl
Vom Netzwerk:
schreit mich ein albanischer Jugendlicher an, und bei einem irakischen Jugendlichen merke ich, dass er Lehrer, die zugänglich und kooperativ auftreten, als Memmen empfindet. Da ihn seine Umgebung fremd ist, projiziert er seine eigene Kultur auf den Außenraum. Anscheinend ist es in seinem Land üblich, dass Lehrer Schüler anschreien und sogar schlagen.
    Damit ausländische Jugendliche sich in unserer Kultur zurechtfinden, sich integrieren und nicht über Gewalt profilieren, müssen wir ihnen unsere Werte, Geschichten und Mythen präsentieren. Dies klingt altväterlich. Die Assimilation in die heimische Kultur geschieht jedoch nicht nur über Wissen oder die Vermittlung von Regeln und Kompetenzen, sondern es handelt sich auch um einen emotionalen Prozess. Heimisch fühlt man sich, wenn die Umgebung eine Bedeutung bekommt und man in ihre Geschichten eintauchen kann. In der Schweiz sind dann die Berge nicht mehr nur große, unnütze Geröllhalden, sondern werden mit den Eidgenossen, mit Handel oder sogar dem Gotthardmythos assoziiert. Multikulturalität und Toleranz genügen nicht, sondern Schulen haben auch die Aufgabe, auf die eigenen kulturellen Werte hinzuweisen und die hier gültigen Haltungen zu vertreten.
     
    Die große, hässliche Betonwand störte schon lange. Sie war von weit her sichtbar. Die Lehrerschaft beschloss, dass man sie übermalen sollte, und stellte bei der Schulkommission einen Antrag auf eine Verschönerung dieser Außenwand desSchulhauses, die den Pausenhof abgrenzte. Man einigte sich darauf, unter der Schülerschaft eine Umfrage zu machen, wie diese hässliche Betonwand zu gestalten sei. Unter den über 50 % ausländischen Schülern und Schülerinnen entstand eine lebhafte Diskussion. Schließlich wollte die Mehrheit der Schüler und Schülerinnen, dass ein großes Schweizerkreuz auf die Betonwand gemalt werden sollte. Lehrerschaft und Schulkommission reagierte konsterniert. Einwände wurden erhoben: das ginge doch nicht. Man befürchtete, als rassistisch oder chauvinistisch angesehen zu werden. Schließlich, nach langen Diskussionen mit der Schülerschaft, entschloss man sich, die Betonwand mit den Fahnen aller Nationen, die im Schulhaus vertreten sind, zu bemalen. Die Schülerschaft hatte für etwas anderes votiert und der Lehrerschaft ein Signal gegeben, ihnen ihre unmittelbare Umgebung näher zu bringen.

8.
Das Schreckliche zum Thema machen
    Die Allgegenwart der Gewalt in den Medien
    »Was der schönste Tag in meinem Leben war? – als ich endlich immer on-line sein konnte!« Der zwölfjährige Junge strahlt mich an. Die Antwort macht perplex. Wie steht es mit Weihnachten? Den Ferien in der Toskana? Kindheit sollte doch eine Zeit sein, wo man sich hinauswagt, mit den Nachbarskindern Verstecken spielt und mit dem Cousin eine Hütte baut; eine Zeit der gemeinsamen Erlebnisse mit den Eltern oder Freunden. Vielleicht könnte sich der Junge sogar an eine geglückte Schulstunde erinnern? Hat er sich nicht in Hunderten von Schulstunden, spannenden Projekt- oder Gruppenarbeiten engagiert? Aus der Sicht des Jungen Nebenereignisse. Nichts überragt den Tag, von dem an er Zutritt zum medial vermittelten Weltgeschehen hatte!
    Kindheit und Jugend hat heute ein anderes Gesicht als vor zwanzig, dreißig oder mehr Jahren. Früher waren Kinder und Jugendliche von Spielaktivitäten im Freien, Ausflügen zu Freizeitparks, dem Erforschen einer Höhle oder einer verbotenen Erkundigungstour auf einer Baustelle fasziniert. Die Welt war klar umrissen, das Schreckliche und Unverständliche verbannt oder tauchte an den Randzonen der kindlichen oder jugendlichen Lebenswelt auf. Die Erwachsenen sahen Kinder und Jugendliche in einem Schonraum, der pädagogisch sinnvoll gestaltet werden kann. Heikle Themen wurden ausgeschlossen. Als Jugendlicher musste man sich einen Samstagnachmittag mit Sammeln von Altpapier abrackern, um endlich Bilder von nackten Frauen sehen zu können, und seine Gewaltfantasien durfte man allenfalls beim Völkerball oder beim Indianerspielen abreagieren. Der Fernsehapparat stand im Wohnzimmer; unter strenger oder milder Überwachung der Eltern. Oft wachten sie wie ein Cerberus über Informationen, die unsere Ohren und Augen erreichten. Das Schreckliche und Obszöne, Böse blieb draußen, auch wenn man hie und da den Dienstagskrimi mit ansehen durfte. In den letzten zehn Jahren wurde die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen revolutioniert. Die von den Eltern und der Pädagogik gesetzten

Weitere Kostenlose Bücher